»Unterschiedliche Sauberkeitsstandards«
Wie heterosexuelle Paare sich über die ungleich verteilte Hausarbeit belügen
Von Sarah Speck
Wir haben da unterschiedliche Vorstellungen.« »Mir ist das einfach wichtig, dass es sauber ist, und dann wisch ich eben schnell rüber.« »Ich überreagiere da wahrscheinlich leicht.« Vertraute Sätze? So klingt das oft in heterosexuellen Paarbeziehungen, wenn über die ungleich verteilte Hausarbeit gesprochen wird. Linke Paare sind da keine Ausnahme.
Verschleierungsmechanismen, die dafür sorgen, dass die Reproduktionsverhältnisse stabil bleiben, waren bereits ein Thema der marxistischen Feministinnen der Zweiten Frauenbewegung. Unter dem Stichwort »Arbeit aus Liebe« kritisierten sie, dass die Sorgearbeit in der bürgerlichen Ernährerehe unsichtbar wurde. Obgleich diese Lebensform mit der dazugehörigen »klassischen« Hausfrau seltener geworden ist, greifen solche Mechanismen auch heute noch in Paar- und Intimbeziehungen – auch in solchen, in denen die Beteiligten klassische Geschlechterrollen ablehnen. Vor allem heterosexuelle Paare aus den großstädtischen gebildeten Milieus mit alternativem Lebensstil betonen gern, dass sie »alles 50:50 machen«. Dabei ist es in nahezu allen Haushalten, in denen Frauen leben, so, dass sie den größeren Anteil der Haus- und Sorgearbeit stemmen. Das gilt auch für linke WGs und Paarbeziehungen.
Im Rahmen einer breit angelegten Studie haben Cornelia Koppetsch und ich uns mit Paaren aus unterschiedlichen Sozialmilieus beschäftigt, in denen die Frau das Haupteinkommen verdient. (1) Dabei ging es um die Frage, ob die klassische, auf dem männlichen Ernährermodell gründende heterosexuelle Ordnung brüchig wird. Antwort: Einerseits ja – es gibt diese Ernährerehe immer weniger. Gehälter sind so schlecht und auch männliche Arbeitswelten inzwischen so prekarisiert, dass die Zahl der Beziehungen, in denen die Frau die Familie ernährt, steigt. Doch zeigen unsere Ergebnisse andererseits, wie stabil die Geschlechterordnung, das heißt Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen und die entsprechende Arbeitsteilung, in den Ökonomien des Alltags ist.
Das ist durchaus überraschend, denn es stellt sich ja die Frage, ob sich Männer in Heterobeziehungen, wenn ihre Partnerinnen in der Lohnarbeit sehr eingebunden sind, nicht mehr oder zumindest zu gleichen Teilen in die Sorge einbringen könnten. Doch auch hier übernehmen die Frauen meist den Großteil der Sorgearbeit. Gerade Paare aus der urbanen Mittelschicht mit starken Gleichheitsvorstellungen sind Meister darin, Logiken einzuführen, die eine solche Aufteilung nach Belastung außer Kraft setzen. Dabei nehmen die Paare – dies ist entscheidend – die Ungleichheit in ihrer Beziehung gar nicht wahr. Zumindest tun sie so. So wie sie behaupten, dass es überhaupt kein Problem sei, wenn es solch eine Einkommensdifferenz gäbe; Geld spielt angeblich keine Rolle.
Postmaterialismus und Putzfimmel
Schaut man genauer hin, entpuppt sich das Mantra, man mache bei allem 50:50, als Illusion. Zwar hat man getrennte Kassen und teilt sich die Kosten offiziell. Doch finden eine Reihe von Transaktionen statt, Einladungen und Leihgaben, die verschleiern, dass die von uns befragten Männer die Hälfte der Kosten gar nicht aufbringen können und die Frauen faktisch den gemeinsamen Lebensstandard sichern. Auch darin zeigt sich, dass der ungleiche Verdienst durchaus ein Problem darstellt. Man will am Selbstbild der egalitären Partnerschaft festhalten, die finanzielle Autonomie soll die Gleichheit beider bezeugen.
Dann schon lieber eine Putzfrau – hilft auch dabei, sich als gleichberechtigte Partnerschaft zu verstehen.
Aus dem gleichen Grund verbergen Paare dieser Milieus die ungleiche häusliche Arbeitsteilung – vor allem vor sich selbst. Hierbei helfen mehrere interessante Techniken. Der Klassiker: »unterschiedliche Sauberkeitsstandards«. Die ungleiche Beteiligung an Hausarbeit wird individuellen Charaktereigenschaften zugerechnet. Wer einen Sauberkeitsfimmel hat, ist selbst schuld. Verbreitet ist das insbesondere in alternativen, postmaterialistischen Milieus, wo Hausarbeit keine Rolle spielen soll und man auch deshalb vermeidet, darüber zu streiten. Dann schon lieber eine Putzfrau – hilft auch dabei, sich als gleichberechtigte Partnerschaft zu verstehen. Eine weitere Strategie: verschiedene Bewertungen von Tätigkeiten. Ein Beispiel? »Mein Freund kocht echt total super und ist ein ganz toller Gastgeber.« Und der Gegenpart dazu, Tätigkeiten rausrechnen: »Wäsche? Macht die Maschine. Aufhängen? Ach so, naja, das macht man doch so nebenbei… Beruhigt mich auch irgendwie.« Dazu gehört auch die Frage, wer das Gesamtarrangement im Auge behält, insbesondere wenn Kinder im Spiel sind. Wann sind das letzte Mal die Fingernägel der Tochter geschnitten worden? Wann steht der Arztbesuch an? Und wie ist das mit dem Babysitter nächste Woche?
Der diskrete Charme der Autonomie
Stabil ist das Ganze in der Regel auch deshalb, weil man ein Ungleichgewicht dieser Arbeitsverteilungen, selbst wenn man es als solches empfindet, in einer Heterobeziehung nicht zu oft thematisieren sollte als Frau. Denn das ist unsexy und nervig – zumindest sagen das die Expertinnen des Alltags, die im Sinne der Liebe raten, nicht so viel aufzurechnen: »Mehr küssen – weniger meckern«, empfiehlt zum Beispiel die Zeitschrift Glamour.
Zudem forderten die von uns befragten Frauen auch deshalb keine andere Aufteilung ein, weil ihre größere Sorge zu sein scheint, nicht den Eindruck zu erwecken, ihr Partner sei beruflich benachteiligt
Männer kommen hingegen selten in die Meckerrolle. Zum Habitus dieser urbanen, alternativen Männer, die sich angeblich so in Haus- und Familienarbeit einbringen, gehört typischerweise eine ostentative Gelassenheit. Diese Männer sind meist ganz autonom und machen einfach »ihr Ding«. Umgekehrt gelten die Frauen eher als unentspannt, anspruchsvoll und unnötig aufgeregt – man könnte auch sagen: hysterisch – im Privaten und auch in Sachen Erwerbsarbeit bzw. finanzieller Sicherheit. Auf jeden Fall ist klar, welche Seite ihr Affekte unter Kontrolle hat und welche nicht. Diese wiederholten Charakterzuschreibungen – authentisch und entspannt versus ambitioniert und unlocker – kamen in unserer Studie überraschend häufig vor und sind ganz und gar nicht zufällig. Vielmehr folgen sie einer alten, patriarchalen Logik der Geschlechter. In der coolen Attitude der jungen Männer erscheint ein klassisches Männlichkeitsmuster im neuen Gewand.
Zum Problem wird das Ganze aber, weil die Frauen aus dem urbanen, alternativen Milieu ihre Männer gerade deshalb attraktiv finden, weil sie so gelassen sind, und weil sie sich auch selbst als unnötig unentspannt einschätzen. Und damit abermals ihre eigene Rolle und die Arbeit, die sie übernehmen, abwerten. Zudem forderten die von uns befragten Frauen auch deshalb keine andere Aufteilung ein, weil ihre größere Sorge zu sein scheint, nicht den Eindruck zu erwecken, ihr Partner sei beruflich benachteiligt. So haben wir es mit Konstellationen zu tun, in denen die Frauen unter hohem beruflichen Druck die Familie am Laufen halten und die Männer, viele von ihnen in künstlerischen oder Kreativberufen tätig, Stunden um Stunden im Atelier, in ihrer Werkstatt oder Bürogemeinschaft verbringen. Und zwar – so scheint es manchmal – umso mehr, je prekärer ihr Berufsstatus ist.
Und die Frauen unterstützen sie genau dabei. Weil sie einen Mann wollen, der sein Ding macht und weil sie eine Beziehung wollen, die »gleichberechtigt« ist. Umgekehrt kann man sich leicht vorstellen, dass die künstlerische Arbeit einer Frau, die nicht wesentlich zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beiträgt, ganz sicher eher als Hobby gelten würde. Ein Dilemma ist eben, dass die Frauen an diesen Dynamiken teilhaben. Und dass die heterosexuelle Ordnung blöderweise auch in Emotionen und Begehrensstrukturen verankert ist.
Gestresst von Job und Haushalt? Mach doch Yoga!
Wir haben also eine gesellschaftliche Situation, in der Frauen mit spezifischen Ressourcen – finanzielle Ressourcen, Bildungsabschlüsse, deutscher Pass etc. – in ihren Hetero-Paarbeziehungen Lebensentwürfe verfolgen können, die sie als »emanzipiert« verstehen, die allerdings auf einer neuen globalen Arbeitsteilung und Umverteilung von Sorge unter Frauen fußen. Ein Teil der im Privaten anfallenden Arbeit wird an andere Frauen abgeben, die diese Ressourcen nicht haben, ein anderer Teil wird schlicht in die Konsumsphäre verlagert, in Coffee Shops, Greenberg Praxen und Wellness Clubs. Ein Großteil der Arbeiten bleibt aber weiterhin unsichtbar und wird so nebenher von den Frauen selbst geleistet.
Paradoxerweise konnte sich die Geschlechterordnung nur transformieren und modernisieren, weil sie zugleich zementiert wurde. Stabil ist das Ganze unter anderem, weil Frauen selbst dies meist nicht als ungerecht erleben. Stattdessen sehen sie ihre Paarbeziehung dann als gleichberechtigt an, wenn beide berufstätig sind. Finanzielle Autonomie und berufliche Selbstverwirklichung sind die zentralen Säulen im Glaubensbekenntnis von Partnerschaften, die sich als egalitär verstehen. Die Sorgearbeit wird rausgerechnet, angeblich geteilt. Und der Überschuss sind persönliche Neigungen.
Diese Mechanismen der Individualisierung scheinen mir aus feministischer Perspektive eine der zentralen Schwierigkeiten zu sein, mit denen wir es gegenwärtig zu tun haben, denn sie machen die strukturelle Dimension dieser Dynamiken unsichtbar und wirken einer Politisierung und Solidarisierung entgegen. Dazu tragen zweifelsohne auch die Angebote der Mehrheitsgesellschaft zur Bewältigung von Konfliktlagen bei, die sich in der gegenwärtigen Krise der Reproduktion immer weiter zuspitzen. Etwa im Sinne eines pointierten Plakats des AK-Feminismus der Naturfreundejugend Berlin: »Gestresst im Job, zwei Kinder und ein Pflegefall zuhause? Mach doch Yoga.«
Genau: Jetzt, wo wir, ganz gleichgestellt, in unseren super stressigen, prekären Jobs kurz vorm Burnout stehen, bieten sie uns auch noch Yogakurse an, damit wir uns entspannen können – und dabei noch total gut aussehen. Leistungs- und Schönheitsnormen entsprechen. Klasse Frauen sein können, die alles hinkriegen.
Die Marxistin und Feministin Silvia Federici hat also völlig recht, wenn sie die feministische Revolution als unvollendet bezeichnet. Stellt sich unter anderem trotzdem die Frage, was wir in unserem alltäglichen Beziehungskuddelmuddel tun sollten. Ein paar Vorschläge: eine politische Ökonomie der Paar- und Nahbeziehungen formulieren, heteronormative Kleinfamilienstrukturen sowie gegenwärtige Gleichheitsideologien analysieren, in Frage stellen und Alternativen entwickeln – und auch: mehr streiten. Ist gar nicht so schlimm.
Anmerkung:
1) Die Ergebnisse der am Institut für Soziologie der TU-Darmstadt durchgeführten Studie sind nachzulesen in Koppetsch, Cornelia/Speck, Sarah: Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist. Geschlechterkonflikte in Krisenzeiten. Berlin: Suhrkamp 2015.