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Weltmacht im Wartestand

Die Krise der Nato weckt in Europa imperiale Träume

Von Johannes Tesfai

Ein Feld, dahinter Wald, mehrere Panzer hintereinander auf dem Feld, der erste schießt gerade, aus der Mündung kommt Feuer.
Mehr Panzer für Europa, wenn es nach der zukünftigen Bundesregierung geht, auch um Europa als Weltmacht auf die Weltkarte zurückzuholen. Foto: 7th Army Training Command from Grafenwoehr, Germany / Wikimedia Commons, CC BY 2.0

Es sind astronomische Zahlen, mit denen hierzulande und europaweit gerade hantiert wird. 800 Milliarden Euro will die EU in ihre Aufrüstung stecken. In Deutschland sollen die Militärausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen werden, den Rüstungsausgaben sind damit keine Grenzen gesetzt, falls die Abstimmung am 18. März, pünktlich zur Auslieferung dieser Zeitung, von Union und SPD durch den Bundestag gebracht wird. Seitdem Donald Trump und seine Regierung offen die Mitgliedschaft der USA in der Nato in Frage stellen, scheint in Berlin und Brüssel Angst zu herrschen. Der öffentliche Druck, den die US-Regierung auf die Ukraine im Zuge der Waffenstillstandsverhandlungen ausgeübt hat, befeuert die Furcht in Europa noch.

Natürlich ist der Angriffskrieg auf die Ukraine ein Präzedenzfall. Obwohl der Ukrainekrieg große Teile des russischen Militärs bindet, scheint ein Einmarsch in andere osteuropäische Länder wie Polen oder die baltischen Staaten keine reine Horrorfantasie, sondern eine potenziell reale Option in Putins Politik. Doch die finanzielle Offensive für die deutsch-europäische Aufrüstung folgt nicht nur der Logik der Angst.


Für kleinere Staaten im Bündnis, auch die Bundesrepublik, war die Nato eine Art imperiale Haftpflichtversicherung.

Was die vielbeschworene Wertegemeinschaft Nato unter gemeinsamer Politik verstand, war die Beseitigung der Gegensätze in der Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten, wie sie in ihrem Gründungsvertrag 1949 festschrieb. Für kleinere Staaten im Bündnis, auch die Bundesrepublik, war die Nato eine Art imperiale Haftpflichtversicherung. Die europäischen Länder konnten im Sinne einer kapitalstarken Handelspolitik in anderen Teilen der Welt Interessen durchsetzen; kamen sie in Bedrängnis, half das Drohpotenzial des US-amerikanischen Waffenarsenals bei der Befriedung in ihrem Sinne. Nicht nur Trumps Austrittsdrohung zeigt das Ende des »Wertebündnisses«. Mit der Vorführung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus zeigten die USA einen diplomatischen Ton gegenüber einem europäischen Staat, der sonst nur gegenüber Ländern des Globalen Südens angewandt wird. Die USA signalisieren der Ukraine, dass ihre Interessen irrelevant sind, und damit mittelbar auch Nato-Europa, dass es zur globalen Peripherie degradiert wird. Die vielbeschworene Aufrüstung in Europa ist deshalb nicht nur eine Debatte um Schutz vor Angriffen, sondern die Behauptung eines Machtanspruchs. In Brüssel, Berlin und den europäischen Redaktionsstuben beginnt jetzt schon das Geraune, Europa müsse »zu einer geopolitischen und militärischen Macht reifen« (WiWo).

Für die neue Kriegstüchtigkeit soll auch die hiesige Bevölkerung Opfer bringen. Nicht umsonst ist der Vorstoß von Union und SPD darauf ausgerichtet, nur bei der Aufrüstung nicht zu sparen, alle anderen Bereiche sollen sich diesem Zweck unterordnen. Die neuen Waffen sollen dabei helfen, Europa als imperiales Zentrum auf die Weltkarte zurückzubringen – wenn es nach Union und SPD geht, unter deutscher Führung.

Johannes Tesfai

ist Redakteur bei ak.

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