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|ak 677 | Wirtschaft & Soziales |Reihe: FAQ. Noch Fragen?

FAQ: Was will die Ampel beim Klima?

Von Nico Graack

Hält die Fortschrittskoalition das, was sie hinsichtlich Klimakatastrophe verspricht? Allein im Bereich Photovoltaik-Ausbau müsste das Ziel doppelt so hoch sein, um die 1,5-Grad-Marke nicht zu reißen, stellte eine Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft hinsichtlich der im Koalitionsvertrag festgelegten Klimaschutzmaßnahmen fest. Foto: CC0 Public Domain

Der neue Koalitionsvertrag der Ampelregierung stellt auf der ersten Seite fest: »Deutschland und Europa müssen angesichts eines verschärften globalen Wettbewerbs ihre ökonomische Stärke neu begründen.« Das folgt auf einen Satz zur Dringlichkeit der Klimakrise. Die Kernbotschaft der neuen Koalition lautet: Die Klimakrise ist der Schlüssel, um die Stärke des deutschen Kapitals auf dem Weltmarkt zu sichern. »Nachhaltiger Wohlstand« wird das genannt. Dabei werden die Ziele des Klimaschutzgesetzes der GroKo nicht verändert – 65 Prozent weniger CO2 bis 2035, klimaneutral bis 2045. Bei den konkreten Maßnahmen gibt es aber einige Änderungen, die Deutschland zum »Leitmarkt« für vielerlei Produkte machen sollen.

Der erste große Leitmarkt soll für erneuerbare Energietechnologie entstehen. Die nationale Stromversorgung soll bis 2030 zu 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen gesichert werden. Aktuell sind es rund 45 Prozent. Dabei wird mit einem stark steigenden Stromverbrauch gerechnet: 680-750 Terrawattstunden (TWh) im Jahr 2030; derzeit sind es etwa 500TWh. Dafür soll Windenergie auch in windarmen Regionen mit erleichterten Genehmigungen ausgebaut werden, sollen bestehende Windanlagen durch neue ersetzt und Solarzellen verpflichtend auf öffentlichen Neubauten und bei privaten »in der Regel« genutzt werden. Der Kohleausstieg soll »idealerweise« bis 2030 gelingen. Das Mittel der Wahl ist keine verpflichtende Regulierung, sondern der CO2-Preis. Der europäische CO2-Preis soll nicht mehr unter 60 Euro/Tonne fallen dürfen. Aktuell liegt er bei ca. 70 Euro, und Kohleverstromung wird weiterhin betrieben.

Der zweite Leitmarkt ist für die E-Mobilität angedacht. Statt der bisher angepeilten sieben bis zehn Millionen sollen nun 15 Millionen Elektro-PKW bis 2030 auf deutschen Straßen unterwegs sein. Aktuell sind es gut 500.000. Dafür soll »dem Bedarf vorausgehend« ein flächendeckendes Netz aus einer Million Ladesäulen entstehen. Es bleibt beim Verbot von Neuzulassungen für PKW mit Verbrennungsmotoren bis 2035, statt wie von den Grünen angedacht bis 2030.

Wohlstand wird nachhaltig geredet, Emissionen und Zerstörungen nur hierzulande betrachtet.

Der dritte Leitmarkt soll der für Wasserstofftechnologie werden. Die Elektrolyseleistung soll bis 2030 bei zehn Gigawatt liegen und »technologieoffen« sein. Das dürfte heißen, dass auch Wasserstoff, der nicht aus der Elektrolyse durch erneuerbare Energien gewonnen wurde, eingesetzt werden darf – etwa aus der Verbrennung von Erdgas. Die Wasserstoffstrategie dient zugleich auch als Grund für den massiven Ausbau der Gasinfrastruktur. Um die Versorgungssicherheit auch bei dem stark steigenden Strombedarf sicherzustellen, der für dieses ambitionierte Investitionsprogramm in die deutsche Wirtschaft nötig ist, soll der bestehende Ausbau neuer Gaskraftwerke weiter gefördert werden. Erdgas wird als »für eine Übergangszeit unverzichtbar« festgeschrieben. Die Kraftwerke sollen dann »H2-ready« sein, was nicht genauer definiert wird. Es steht zu erwarten, dass damit die Möglichkeit einer Teilnutzung der Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff gemeint ist, falls dieser in Zukunft einmal in relevantem Maße zur Verfügung stehen sollte. Die Gasversorgung soll »diversifiziert« werden, was wohl ein Wink in Richtung der Planungen für Flüssigerdgas(LNG)-Terminals ist.

Eine Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft unter der Leitung von Volker Quaschning attestiert diesem Programm, weit hinter dem proklamierten 1,5°-Ziel zurückzubleiben. Allein für den Photovoltaik-Ausbau müsste das Ziel doppelt so hoch liegen.

Das ist Kritik der Form »Gute Richtung, aber viel zu wenig…« Das Klimaprogramm der Ampel geht aber schon im Kern am Problem vorbei. Statt auf dringend notwendige Reduktion der Wirtschaftsleistung, auf effektive Klima-Lieferkettengesetze und letztlich demokratische Kontrolle der Wirtschaft setzt es auf noch mehr »Wohlstand«, der dann »nachhaltig« geredet wird. Dafür werden Emissionen und Zerstörungen nur hierzulande betrachtet – mit Lithium- und Kupferminen, Gas- und Ölfeldern dürfen sich die anderen herumschlagen. Und diese anderen dürfen dann als Absatzmärkte für deutsche Technik dienen. Hier wird also Klimapolitik für ein riesiges Investitionsprogramm, das die Position des deutschen Kapitals auf dem Weltmarkt verbessern soll, instrumentalisiert. Hat sich also die FDP bei der Klimapolitik durchsetzen können? Nein, diese Sprache sprechen auch die Grünen. Die nennen das dann »aktive Klima-Außenpolitik, die etwa Technologiesprünge, insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern, ermögliche.«

Nico Graack

ist freier Autor und Philosoph. Er arbeitet am Institut für Philosophie, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften in Berlin und engagiert sich in verschiedenen Klimakontexten.