Was will der Staat mit der Meyer-Werft?
Von Klaus Meier
Die von einer Insolvenz bedrohte und seit Wochen in den Schlagzeilen stehende Meyer-Werft in Papenburg konnte gerettet werden. Möglich wurde das durch Kreditbürgschaften von rund zwei Milliarden Euro, die das Land Niedersachsen und der Bund übernahmen. Dazu kommt ein direkter Einstieg des Staates in das Unternehmen im Umfang von 400 Millionen Euro als Eigenkapitalaufstockung. Um diesen warmen Geldregen abzusichern, gehen 80 Prozent der Werft an den Staat. Die Pleitefamilie Meyer behält nur noch 19 Prozent. Dem 76-jährigen Patriarchen Bernard Meyer ging dies gegen den Strich; es wird berichtet, dass er auf einer Versammlung über eine angebliche »Enteigung« laut lamentierte. Doch die SPD-Granden Olaf Scholz und Stephan Weil kommen dem Pleitier Meyer unnötigerweise viel zu weit entgegen. So soll die Eigentümerfamilie bereits ab 2028 die staatlichen Anteile der dann sanierten Werft wieder zurückkaufen können. Völlig unverständlich ist auch, dass die Eigentümerfamilie ihr eigenes Geld nicht einsetzen muss. Laut dem Manager-Magazin ist Meyer einer der reichsten Deutschen und besaß bereits 2012 ein Vermögen von 700 Millionen Euro. Wie viel Gelder in der Familienstiftung stecken, ist nicht bekannt.
Was sind die Hintergründe dieser Staatsintervention? Die Meyer-Werft in Papenburg liegt im Binnenland an der Ems, rund 35 Kilometer von der Nordsee entfernt. Die Familie Meyer lässt hier seit Jahren immer größere Kreuzfahrtschiffe bauen, die normalerweise gar nicht durch den kleinen Fluss fahren könnten. Vergleichbare Werften liegen in anderen Teilen der Welt immer an tiefseegängigen Häfen. Doch die Politik war immer wieder bereit, dieses Manko mit viel Geld zu überbrücken. In einer ersten Phase ließen sie die Ems drei Mal von 5,70 auf 7,30 Meter vertiefen. Das reichte aber angesichts der immer größer werdenden Ozeanriesen irgendwann nicht mehr. Deswegen wurde 2002 an der Mündung der Ems ein riesiges Sperrwerk zum künstlichen Aufstauen des Flusses gebaut. Damit ist es möglich, den Wasserstand der eingedeichten Ems um 2,5 Meter über Normalnull aufzustauen. Kosten des Sperrwerks einschließlich eines Umbaus: 274 Millionen Euro – bezahlt aus Steuergeldern, nicht von der Unternehmerfamilie Meyer.
Rückblickend ist die Aussage wohl nicht falsch, dass die Meyer-Werft ohne die zahllosen großen und kleinen staatlichen Subventionen schon lange nicht mehr existieren würde. Doch Dankbarkeit ist nicht das Ding der Familie Meyer. 2015 verlegte sie den Firmensitz ihrer Werft kurzerhand nach Luxemburg. Im Land der Briefkastenfirmen lassen sich Steuern sparen und gleichzeitig konnte sie damit die Einrichtung eines Aufsichtsrats verhindern.
Olaf Scholz redet davon, dass die Meyer-Werft »systemrelevant« sei. Doch das wäre sie erst, wenn der Staat als neuer Eigentümer den Bau von Methanol-Schiffen vorantreiben würde.
Auch die Spezialisierung der Meyer-Werft auf Luxus-Kreuzfahrtschiffe sorgt für viel Kritik. Diese werden meist mit Schweröl oder schmutzigem Schiffsdiesel betrieben und haben hohe Treibhausgasemissionen. Sieben Tage Kreuzfahrt verursachen genauso viel CO2 wie drei Hin- und Rückflüge von Deutschland nach Mallorca. Hinzu kommen zusätzliche Flüge, weil viele Angebote etwa erst in Miami starten.
Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), eine Organisation der UNO, hat jüngst ihre Klimaziele neu definiert: Bis 2030 soll die Schifffahrt ihre CO2-Emissionen um 20 Prozent reduzieren. 2040 sollen es bereits 70 Prozent sein. Aber das wird nur gehen, wenn neue Schiffe sofort klimaneutrale Antriebe nutzen. Doch die Meyer-Werft und der deutsche Staat als neuer Mehrheitseigner verstoßen mit ihrem vorgesehenen Schiffbauprogramm bereits jetzt dagegen. Dabei gibt es in der Technikdebatte bereits eine klare Antriebsalternative: grünes Methanol, das aus Wasserstoff und CO2 gewonnen werden kann. Dass dies möglich ist, zeigt die dänische Großreederei Möller-Maersk. Sie hat im letzten Jahr das Containerschiff Laura Maersk in Betrieb genommen, das mit grünem Methanol betrieben wird. 25 weitere methanolbetriebene Schiffe sind geplant.
Olaf Scholz redet davon, dass die Meyer-Werft »systemrelevant« sei. Doch das wäre sie erst, wenn der Staat als neuer Eigentümer den Bau von Methanol-Schiffen vorantreiben würde. Immerhin entwickelt die Meyer-Werft in ihren Rostocker Werk Umspannwerke für die Offshore-Windenergie, die den auf hoher See erzeugten Windstrom bündeln und per Kabelverbindung ans Festland bringen. Das ist ausbaufähig: Für Offshore-Windkraftanlagen könnten auch Module zur integrierten Wasserstofferzeugung entwickelt werden. Das ließe sich dann mit hafenseitigen Anlagen zur Methanolherstellung kombinieren. Es wäre ein innovativer Weg, der die Meyer-Werft zukunftsfähig machen könnte.