Was bringen die Corona-Hilfen?
Von Guido Speckmann
Im dritten Quartal 2020 war die deutsche Ökonomie noch um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gestiegen – der sogenannte Lockdown light wird diese im letzten Quartal nun wieder schrumpfen lassen. Mit neuen Corona-Hilfen will die Bundesregierung den Rückgang abmildern. Aber was haben eigentlich die staatlichen Maßnahmen zur Abmilderung der Corona-Pandemie aus dem Frühjahr gebracht, was das Konjunkturpaket vom Juni?
Um das Fazit vorwegzunehmen: Aus der Perspektive der Verfechter*innen des Status quo waren sie durchaus erfolgreich. Weder ist es bis dato zu Massenpleiten von Unternehmen noch zu deutlich höherer Erwerbslosigkeit gekommen. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dürfte dank der Corona-Pakete um ein, zwei Prozentpunkte geringer ausgefallen sein. Aus einer über den Staus quo hinausgehenden Perspektive indes bedeutet insbesondere das Konjunkturpaket aus dem Juni eine verpasste Chance. Denn die Bundesregierung hält ökologisch bedenkliche Sektoren wie die Luftfahrtindustrie, den Massentourismus und die Autoindustrie künstlich am Leben, anstatt die Krise zu nutzen, steuernd und regulierend den sozial-ökologischen Umbau voranzutreiben.
Schauen wir genauer hin: Die Kurzarbeiterregel war schon in der Krise von 2008/09 erfolgreich, um Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Das Rezept erweist sich auch jetzt als sinnvoll, weil es Entlassungen verhindert und den Verlust von Massenkaufkraft abschwächt. Die Kehrseite: Unternehmen werden von Lohnkosten entlastet.
Ähnliche Funktionen hatten auch die einmalige Erhöhung des Kindergeldes und die Absenkung der Mehrwertsteuersätze. Insbesondere bei Letzterem – mit 20 Milliarden Euro Finanzbedarf der größte Posten des Konjunkturpaketes – war unklar, ob die Senkung von den Unternehmen an die Verbraucher*innen weitergegeben wird. Die Bundesbank konstatierte Mitte November: immerhin zu 60 Prozent. Bei Dienstleistungen sei das weniger der Fall, bei Nahrungsmitteln und Industriegütern eher doch. Verbraucherverbände kritisierten jedoch die ungenügende Weitergabe der gesenkten Steuer an die Kund*innen und sprachen sich stattdessen für eine stärkere Berücksichtigung der Nachfrageperspektive aus – z.B. durch eine Absenkung der Stromkosten oder einen höheren Kinderbonus. Wie auch immer: Die Sparquote der privaten Haushalte ist höher als im letzten Jahr, was aber auch schlicht daran liegt, dass Urlaube gestrichen werden mussten und andere Freizeitaktivitäten nicht möglich waren oder sind.
Die Bundesregierung hält ökologisch bedenkliche Sektoren wie die Luftfahrtindustrie, den Massentourismus und die Autoindustrie künstlich am Leben.
Bemerkenswert bei allen Corona-Hilfen ist, dass die Mittel nur sehr langsam ausgezahlt werden. So sollten laut Konjunkturpaket staatliche Investitionen noch in diesem Jahr in Höhe von drei Milliarden Euro vorgezogen werden. Bis September wurden schlappe 28 Millionen Euro von den Bundesministerien abgerufen. Beachtlich: Für 10,5 Millionen Euro wurde Munition beschafft, der mit Abstand größte Posten.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Überbrückungshilfen. Von den vorgesehenen 25 Milliarden Euro für die Hilfen in der Zeit von Mai bis August flossen nur etwas mehr als fünf Prozent ab. Die Gründe: zu hohe Hürden gerade für kleine und mittlere Unternehmen sowie Selbstständige, die Tatsache, dass viele der Förderprogramme durch die EU abgesegnet werden müssen, oder auch, dass Unternehmen zunächst an die Reserven gingen.
Aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, mit dem Großkonzerne gestützt werden, sind bis dato von den 600 Milliarden über 14 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Das Geld erhielten Lufthansa, die Reisekonzerne TUI und FTI sowie die MV-Werften, Unternehmen aus Sparten mit bescheidenen Zukunftsaussichten. Die auf Massentourismus setzenden Reiseunternehmen hatten ohnehin schon Probleme, weil Pauschalreisen nicht mehr en vogue sind. Die Luftfahrt dürfte angesichts von Zoom, Jitsi und Skype massiv an Umsatz einbüßen. Und die Kreuzfahrtschifffahrt kämpft mit hohen Überkapazitäten. Anstatt massiv Sektoren mit Zukunftsaussicht, vor allem mit Blick auf den ökologischen Umbau, zu fördern, wird das Geld in Konzerne der Vergangenheit gesteckt. Hinzu kommt: Die geförderten Konzerne stehen alle im Ruch, Verbindungen zur Schattenfinanzwelt zu haben, sprich Steuerzahlungen zu umgehen. Zudem missachtet der Fonds das Prinzip des Bail-In. Er vergibt Geld, ohne dass zuvor Eigentümer und Gläubiger selbst einen finanziellen Beitrag leisten.
Nach der Corona-Pandemie soll also alles so bleiben, wie es vor der Krise war. Dominantes Ziel ist, dass das Bruttoinlandsprodukt wieder steigt. Dabei wusste schon Robert Kennedy vor mehr als 50 Jahren, dass dieses alles misst, nur nicht das, was das Leben lebenswert macht.