Ein CDU-Politiker drückt ab
In Köln hat der Prozess gegen Hans-Josef Bähner begonnen, der 2019 aus rassistischen Motiven auf einen jungen Mann schoss
Kurz vor Silvester 2019 schoss ein 72-jähriger CDU-Politiker am Köln-Porzer Rheinufer von seinem Garten aus auf einen 20-Jährigen und verletzte diesen schwer. Der Name des Schützen wurde erst einige Tage später öffentlich: Hans-Josef Bähner.
Nun hat am 5. November 2021, nach langer Verzögerung, der Strafprozess gegen Bähner begonnen. Die Initiative Tatort Porz und andere Unterstützer*innen hatten zuvor auf den Prozessbeginn gedrungen. Bähner ist angeklagt den Betroffenen Krys M. mittels Waffe lebensgefährlich verletzt, beleidigt und gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben. Verteidigt wird er von Mutlu Günal und Boris Krösing; ersterer hat Bekanntheit erlangt, weil er Salafisten, IS-Mitglieder sowie den radikalen Prediger Sven Lau vertrat.
Rechtsanwalt Günal verkündete bereits vor Prozessbeginn, sein Mandant werde freigesprochen werden. Im Gerichtssaal trat er arrogant auf, wurde mehrfach vom Richter gerügt. Der Anwältin des Opfers, Edith Lunnebach, begegnete er mit Sätzen wie »Halten Sie mal den Mund« und unterstellte ihr Unfähigkeit. Am Ende des Prozesstages ließ er vor laufenden Kameras verlauten, Bähner sei das eigentliche Opfer. Wir erinnern uns: Der Betroffene, Krys M., kam nur knapp mit dem Leben davon. Im Zeugenstand berichtete er von anhaltenden Beschwerden wie Schmerzen in der Schulter, Trauma, Albträumen und Panikattacken.
Bähners Verteidiger wollen den Betroffenen Krys M. als Lügner und eigentlichen Täter darstellen.
Die Taktik von Bähner und seinen Verteidigern verfolgt scheinbar zwei Ziele: Sie wollen Bähner als das wahre Opfer, Krys M. hingegen als Lügner und eigentlichen Täter darstellen. Statt zu seiner Tat zu stehen, die gar nicht zu widerlegen ist, bestreitet Bähner sein rassistisches Motiv und versucht mittels seiner Anwälte, die Glaubwürdigkeit des Opfers zu erschüttern. Täter-Opfer-Umkehr, eine rassistische Kontinuität in Deutschland.
Der unbescholtene Rassist
Bähners Einlassung, die von Mutlu Günal verlesen wurde, beinhaltete eine Menge für die Tat irrelevante Details, um Bähner als armen Mann, der es nicht leicht hatte, zu inszenieren. Zur Tat sei es nur gekommen, weil er nach dem Rechten habe sehen wollen wollte. Die jungen Leute habe er nur angesprochen, weil die sich zu prügeln schienen. Er habe gewarnt, man solle sein Grundstück nicht betreten, aber, anders als laut Zeugen, nie dazu provoziert. Auch bezüglich des Tathergangs stellt er sich als derjenige dar, der angegriffen wurde: Um sich zu wehren, habe er einen Warnschuss abgeben wollen, aber durch einen Angriff hätte sich der nicht intendierte Schuss gelöst. Ein Unfall. Notwehr. Er habe nicht einmal mitbekommen, dass jemand getroffen wurde. Am Ende habe er sich nicht einmal die Hose anziehen können, als die Polizei ihn, für ihn scheinbar völlig überraschend mit erhobenen Händen heraus bestellte und abführte.
Die Einlassung dreht sich auch um seine Schießsportkarriere. Diese wird durch abenteuerliche Geschichten zum Erhalt der bei ihm gefundenen Waffen, ordentlich erschüttert: Die Waffen seien durch Verstorbene bei ihm gelandet. Zum Teil handele es sich sogar um Waffen von Bekannten der Verstorbenen, die er selbst nicht kenne. Trotz seiner langen Erfahrung und Professionalität im Schießsport habe er schlicht vergessen, die Waffe registrieren zu lassen. Er habe schon an einer Geschichte gearbeitet, wie die Waffe in seinem Garten gelandet sein könnte, um sie dann auch offiziell behalten zu können. Dazu sei er aber nicht gekommen. Laut Polizeiberichten hatte er zunächst ausgesagt, die jungen Männer hätten die Waffe gehabt und in seinen Garten geworfen. Dem widerspricht Bähner nun.
Nicht zuletzt macht er es sich auch mit den Rassismusvorwürfen, die in der Anklage eine Rolle spielen, leicht. Zunächst zog er karitative Gesten aus der Vergangenheit als Feigenblatt heran. Dann räumte er selbstbewusst ein, Kritik an der Flüchtlingspolitik der CDU 2015 gehabt zu haben. Bei rechten Inhalten, die ihm auf sozialen Medien gefielen oder die er geteilt hatte, sei ihm nicht bewusst gewesen, dass sie rassistisch oder antisemitisch seien. Dabei schrieb er selbst: »Die Bilderberger lassen grüßen«. In der Dunkelheit der Tatnacht sei es ihm nicht möglich gewesen, die Jugendlichen zu erkennen. Außerdem fehle ihm das Vokabular für eine rassistische Beleidigung. Rassistisch ist an der Tat laut dieser Erzählung entsprechend gar nichts. Im Gerichtssaal gab es mehrere Fragen, zu denen Krys M. äußerte, dass ihm die Erinnerung fehle. Doch bei der Frage nach rassistischen Beleidigungen sagte Krys M.: »Zu hundert Prozent hat er ›Scheißkanacken‹ gesagt«.
Keinerlei Entschuldigung
Nach dem Prozesstag teilte Krys M. mit, er habe sich gefühlt, als sei er auf der Anklagebank gewesen – ein Ergebnis der Delegitimierungsstrategie von Bähner, Günal und Krösing. Im Verlauf des ersten Prozesstages erhöhten sie während der rund vierstündigen Zeugenbefragung durchweg den Druck auf den Betroffenen und versuchten mehrfach, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln. So wurde der Betroffene durch eine mehrstündige systematische Täter-Opfer-Umkehr der Verteidigung erneut zum Opfer.
Günal versuchte mehrfach Krys M. in eine Rechtfertigungsposition zu bringen. Ihm wurden unter anderem Erinnerungslücken vorgehalten. Auch dass die Aussage des Betroffenen am Morgen nach dem Schuss, die er unter Einfluss von Schmerzmitteln hatte machen müssen, in der Ausführlichkeit von der Aussage zehn Tage später abweiche, wurde ins Feld geführt. Er solle sein altes Handy der Staatsanwaltschaft übergeben, auslesen lassen und seinen vorigen Anwalt der Schweigepflicht entbinden. Die Verteidigung sprach dem Betroffenen damit grundlegende Rechte ab und versuchte sie gegen ihn auszulegen. Warum? Die Strafverteidigung suggerierte so, man könne Krys M. überführen, wie er sich mit Freunden abgesprochen und den Rassismus im Nachhinein dazu gedichtet habe.
Die Verteidigung bestand auch darauf, dass Krys M. »polizeibekannt« sei. »Polizeibekannt« soll wohl in diesem Fall heißen, dass Krys M., nachdem er verprügelt worden war, selbst bei der Polizei Anzeige erstattet hatte. Im Verlauf ermittelte die Polizei auch gegen ihn, stellte die Ermittlungen aber ein. Zudem versuchte die Verteidigung Bähners den Betroffenen zu silencen, in dem sie verurteilte, dass Krys M. den Angriff öffentlich gemacht hatte.
Der erste Prozesstag war kein Tag, an dem es um Bähner, seine Tat und seine Waffen ging. Stattdessen geschah, was aus anderen Prozessen, in denen es um rassistische Gewalt geht, bekannt ist: Weiterhin müssen sich Betroffene rassistischer Gewalt wieder und wieder rechtfertigen. Es ist dieselbe Täter-Opfer Umkehr, die wir unter anderem aus dem NSU-Komplex kennen. Die Verteidigung arbeitet geschickt daran, die aus antifaschistischer und antirassistischer Perspektive auffälligen Aspekte des Prozesses aus dem Schussfeuer zu nehmen. Aufklärung zu den Waffen: unmöglich. Rechte Positionen: unintendiert. Rassismus: ausgeschlossen.
Eine Entschuldigung bei Krys M., für die Verletzung und die körperlichen wie psychischen Folgen, die der Schuss hatte, gab es von Bähner bis heute nicht. Dabei leidet er bis heute unter Schmerzen, die ihm auch die Ausübung seiner Berufstätigkeit erschweren. Die Physiotherapie konnte er sich irgendwann nicht mehr leisten. Dabei müssten Gerechtigkeit und Wiederherstellung für Krys M. bedeuten, dass sein Alltag erleichtert und ihm jegliche Sorgen, die aus der Tat resultieren, erspart werden – psychosozial und finanziell. Bähner muss sich für seine Tat verantworten, nicht der Geschädigte.