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Wut und Protest nach erzwungenen Einäscherungen

Die Tamilin Raksha Feroz erklärt, wie die srilankische Regierung in der Corona-Pandemie muslimische und christliche Bestattungsriten verunmöglicht

Interview: Susheela Mahendran

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie herrscht in Sri Lanka Empörung über die Einäscherung von muslimischen Covid-Opfern. Seit März missachtet das Land die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sowohl Bestattungen als auch Einäscherungen erlauben, und macht die Einäscherung von Menschen, die an Coronavirus-Infektionen sterben oder bei denen der Verdacht besteht, dass sie daran gestorben sind, zur Pflicht.

Mittlerweile wurden über 270 Menschen, die an Covid starben, verbrannt. Eine signifikante Zahl davon waren Muslim*innen, die gegen den Wunsch der Familie eingeäschert wurden. Darunter auch das 20 Tage alte Baby Shaykh, das am 9. Dezember 2020 auf einem Friedhof in Borella, dem größten Vorort von Sri Lankas Hauptstadt Colombo, zwangsverbrannt wurde, da es angeblich Covid-19 hatte. Muslim*innen machen etwa zehn Prozent der 21 Millionen Einwohner*innen Sri Lankas aus und sind schon lange vermehrt Angriffen von singhalesisch-buddhistischen Hardlinern ausgesetzt, wie Raksha Feroz erklärt. Sie ist muslimische Tamilin und lebt in Akurana, einem Vorort von Kandy, wo mehrheitlich muslimische Tamil*innen leben.

Was bedeuten Zwangseinäscherungen für Muslime?

Raksha Feroz: Nach den Bestattungsriten im Islam wird man begraben. Bevor der Leichnam bestattet wird, wird dieser gewaschen in weiße Tücher gewickelt. Dann gibt es ein letztes islamisches Totengebet in der Moschee, das bei jedem Toten gemacht wird und sehr wichtig für uns ist. Nur die Männer sind an diesem Ritual beteiligt und normalerweise befinden sich die Gräber um die Moschee herum. Nach unserem Glauben bekommt die Seele, selbst wenn der Körper tot ist, noch alles bis zur tatsächlichen Bestattung mit. Für mich sind Zwangseinäscherungen schrecklich. Es ist für mich einfach eine extrem schlimme Vorstellung, dass der Leichnam das Feuer berührt und verbrannt wird.

Wie ist denn diesbezüglich die momentane Situation in Sri Lanka?

Es gibt zahlreiche Fälle von Zwangseinäscherungen in ganz Sri Lanka, davon bisher noch wenige in Akurana. In Colombo gab es zum Beispiel den Fall des an Covid-19 verstorbenen Mohammed Jeffrey, 76 Jahre alt. Sein Körper befand sich in Colombo in einem Leichenschauhaus mit anderen an Covid-19 Verstorbenen. Der Neffe wusste nicht, was mit der Leiche des Onkels passiert ist. Viele Muslime weigern sich, die Leichen ihrer Verwandten abzuholen und einäschern zu lassen. Dies führte dazu, dass der Generalstaatsanwalt Dappula de Livera einen Erlass verabschiedete, ohne die Zustimmung der Familien die Leichen einäschern zu lassen.

In Akurana ist ein älterer muslimischer Herr im Krankenhaus gestorben. Doch es war nicht klar, ob er an Covid-19 verstorben ist oder nicht. Dennoch wurde seine Leiche einbehalten und gegen den Willen seiner Familie eingeäschert. So wie in mehreren weiteren Fällen. Der Staat fordert sogar Gebühren für die Kosten für Einäscherung. Aber viele muslimische Familien weigern sich, für diese Schikane auch noch zu zahlen.

Seit Dezember 2020 ist Akurana im Lockdown. Die offiziellen Zahlen der Regierung zu den Corona-Infektionen steigen, doch niemand kennt die genaue Zahl. Es gibt keine freie Presse in Sri Lanka, die darüber berichten kann. Man kann dieser Regierung nicht trauen.

Gab es Proteste gegen die Einäscherungen?

In Colombo, in der Nähe des Präsidialsekretariats, haben ein paar Mitglieder der muslimischen Gruppe Sri Lanka Thawheed Jamaath im Dezember gegen die Zwangseinäscherungen protestiert. Auch im Nordosten Sri Lankas gab es Proteste. Auf Social Media wurden Fotos von weißen Bändern an den Toren der Krematorien verbreitet. Und auch in Frankfurt am Main gab es von der tamilischen Community vor der srilankischen Botschaft Proteste. Muslimische und christliche Gruppen haben zudem beim Obersten Gerichtshof Sri Lankas eine Petition eingereicht, die besagt, dass das Recht auf eine rituelle Bestattung als Grundrecht respektiert werden soll. Doch das wurde Anfang Dezember zurückgewiesen.

Der Rassismus gegen uns wird schlimmer. Wir haben Angst davor – mehr als vor Corona.

Warum besteht die srilankische Regierung auf solche Einäscherungen, obwohl die WHO-Richtlinien dies gar nicht vorschreiben?

Die srilankische Regierung ist rassistisch. Die srilankischen Gesundheitsbehörden sagen, dass die Körper der Covid-19-Opfer das Grundwasser kontaminieren würden, wenn sie begraben werden. Anfang November wurde ein Expertenkomitee eingesetzt, das die Politik der Zwangseinäscherung neu bewerten sollte. Ende November stimmte es in seinem Bericht der Zwangseinäscherung zu – ohne dafür Gründe zu nennen. Sie nutzen diese Pandemie aus, unsere Hilflosigkeit.

Es gibt schon seit Langem einen Konflikt zwischen Muslimen und singhalesischen Buddhisten. Nach den Anschlägen am Ostersonntag im April 2019, zu denen sich der IS bekannte und bei dem mehr als 250 Menschen starben, hatten wir große Angst. Wir haben unsere islamischen religiösen Bücher verstecken müssen. Buddhistische Mönche sind nach Akurana gekommen und haben gegen uns Muslime protestiert. Auf Moscheen wurde mit Steinen geworfen. Mehrere Häuser wurden durchsucht. Aber auch schon vor den Osteranschlägen wurde Hass gegen uns geschürt. Im März 2018 wurden muslimische Läden in Katugastota, in der Nähe von Kandy City, in Brand gesteckt. Akurana ist eines der Hauptziele der fundamentalistischen buddhistischen Mönche, weil es vielen muslimischen Tamil*innen hier wirtschaftlich gut geht. Wir versuchen, versöhnlich mit der singhalesischen Polizei zu sein, um willkürliche Angriffe zu vermeiden.

Dieser Rassismus gegen uns wird schlimmer. Die Bodu Bala Sena, die sogenannte »buddhistische Streitmacht«, ist eine rechtsextreme nationalistische Organisation buddhistischer Mönche, die sehr viel Einfluss auf die srilankische Regierung hat. Wir haben Angst davor – mehr als vor Corona.

Ich habe bei Al Jazeera gelesen, dass die Malediven eine Anfrage aus Sri Lanka in Betracht ziehen, die Bestattung von Muslimen zu erlauben, die an Covid-19 sterben. Der Präsident der Malediven, Ibrahim Mohamed Solih, würde die Möglichkeit prüfen, solche Bestattungen zu erlauben, hieß es dort. Was sagst du dazu?

Wie soll das denn gehen mitten in einer Pandemie? Wird die srilankische Regierung uns überhaupt zum Flughafen lassen oder den Leichnam transportieren? Das wird nicht funktionieren. Es ist zudem einfach schlimm, wenn man im eigenen Heimatland nicht richtig bestattet werden darf.

Susheela Mahendran

(er/sie) ist Politikwissenschaftler*in, Filmemacher*in und freie*r Journalist*in. Mahendran macht politische Bildungsarbeit und Rechtsberatung im Asyl- und Migrationsrecht in Deutschland und Europa. Zurzeit ist Mahendran Promovent*in an der HU Berlin und arbeitet zu Migration- und Fluchtgeschichten im eelam-tamilischen Kontext.