Rettet Babler die Sozialdemokratie?
Von Martin Konecny
Andreas Babler ist SPÖ-Vorsitzender. Das ist nicht nur deshalb überraschend, weil die Ergebnisse des Parteitags vertauscht wurden. Überraschend ist es vor allem, weil sich mit Babler ein dezidiert linker Kandidat durchgesetzt hat, der in der vorangegangenen Mitgliederbefragung nicht auf die Unterstützung des Parteiapparats zählen konnte. Der bisherige Bürgermeister der Kleinstadt Traiskirchen ist mit einem links-sozialdemokratischen Programm angetreten: 32-Stunden-Woche, Mietobergrenzen, Reichensteuern und nicht zuletzt die Demokratisierung der eigenen Partei. Damit ist es ihm schon in den Wochen vor seiner Wahl gelungen, in Teilen der Basis und bei Tausenden Neumitgliedern Euphorie auszulösen.
Der Ausgang dieses Versuchs zur Rettung der Sozialdemokratie ist noch völlig offen. Babler ist nun Vorsitzender einer seit 30 Jahren neoliberalisierten Sozialdemokratie, deren politischer Apparat aufs engste mit Staat und Kapital verflochten ist.
In der Mitgliederbefragung, die drei Kandidat*innen zur Auswahl stellte – die damaligen Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, Hans-Peter Doskozil und Andreas Babler -, konnten alle drei etwa ein Drittel der Stimmen auf sich vereinen. Jeweils ein Drittel entschied sich also für den inhaltsleeren Linksliberalismus von Rendi-Wagner, die nach dem schlechten Ergebnis ihren Rückzug bekannt gab, oder für den sozial-konservativen Kurs von Doskozil.
Auf dem Parteitag gewann Babler schließlich vor allem, weil die alten Machtzentren, die bisher Rendi-Wagner unterstützt hatten, allen voran die Wiener SPÖ, Doskozil nach Jahren des internen Konflikts mehr hassen, als sie Babler fürchten. Unterstützung für einen offen linken Kurs kann sich Babler von hier aber nur sehr bedingt erwarten. Der bestehende Apparat ist nicht nur ein Problem, weil er Babler Widerstand entgegensetzen wird, sondern weil seine Praxis Bablers politischen Forderungen zuwiderläuft. Während Babler etwa für einen Mietenstopp eintritt, erhöhte die SPÖ-Wien die Mieten im Gemeindebau dieses Jahr um 8,6 Prozent.
Babler muss sich jetzt also darum bemühen, die Partei an der Basis wiederzubeleben und mit ihrer Hilfe seinen Kurs durchzusetzen.
Babler muss sich jetzt also darum bemühen, die Partei an der Basis wiederzubeleben und mit ihrer Hilfe seinen Kurs durchzusetzen. Das Szenario erinnert an den Versuch Jeremy Corbyns, die Labour Party zwischen 2015 und 2020 nach links zu ziehen – mit bekanntem Ausgang.
Die größte Gefahr ist aber nicht, dass Babler im Machtkampf innerhalb der SPÖ unterliegt, sondern dass er sich anpasst. Nachdem kurz vor dem Parteitag eine Videosequenz von ihm an die Medien gespielt wurde, in der er die EU als »neoliberales Konstrukt« kritisiert, ruderte er rasch zurück und erklärte, nur wie alle anderen europäischen Sozialdemokrat*innen für eine »Sozialunion« einzutreten. Neuerdings findet er auch, dass ein UN-Mandat keine zwingende Bedingung für Auslandseinsätze des Bundesheers sein dürfe und man über eine EU-Armee nachdenken solle. Sollte Babler in zentralen inhaltlichen Punkten aufgeben, um sich die Unterstützung von internen Machtzirkeln, Medien und linksliberalen Unterstützer*innen zu sichern, wäre das Ergebnis die Demoralisierung all jener, die mit ihm die Hoffnung verbinden, dass eine andere Politik möglich ist.
Ob es Andreas Babler also gelingt, die Rolle der Sozialdemokratie zu retten, ist fraglich, aber für den Moment tut sich eine politische Linksverschiebung auf. Nach Jahrzehnten, in denen die österreichische Politik immer nur nach rechts gerutscht ist, zeugen sowohl Bablers SPÖ-interner Erfolg als auch die Wahlsiege der Kommunistischen Partei Österreichs in Graz und Salzburg vom Potenzial linker Politik.
Interessant ist bisweilen, dass sich diese linken Erfolge trotz weitgehender Abwesenheit sozialer Konflikte und nennenswerter linker Mobilisierungen einstellten. Entscheidender für den Linksruck der SPÖ waren vermutlich die Erfolge der KPÖ, die am Parteitag der SPÖ als Schreckgespenst einer linken Konkurrenz präsent waren. Die KPÖ kann potenziell aus dem Widerspruch zwischen dem Anspruch Bablers, eine linke Alternative im etablierten Parteiensystem zu repräsentieren, und der gelebten Realität der SPÖ profitieren. Und: Werden linkssozialdemokratische Positionen im Diskurs stärker, ermöglicht das potenziell mehr Raum für antikapitalistische Positionen. Immerhin erklären in einer jüngsten Umfrage 63 Prozent den Sozialismus dem Kapitalismus vorzuziehen.