Brandgefährliche Allianzen
Bei den Corona-Leugner-Protesten in Wien erneuert sich das Bündnis zwischen der FPÖ und der außerparlamentarischen extremen Rechten
Die extreme Rechte in Österreich ist stark durch ihr Verhältnis zur FPÖ geprägt, die als ihr parlamentarischer Arm fungiert. In Zeiten der Stärke geht die Partei oberflächlich auf Distanz zu faschistischen und rechtsextremen Gruppen, unterstützt diese aber durch ihre gezielte Diskursverschiebung nach rechts. Ist die FPÖ in der Krise, wie seit den Ibiza-Enthüllungen, wird ihre Verbindung mit dem außerparlamentarischem Rechtsextremismus wieder enger. Die Erzählung des durch die Macht der Straße herbeigeführten Umsturzes wurde in der außerparlamentarischen Rechten bisher selten propagiert. Selbst in der Hochphase der neofaschistischen Identitären und ihrer Straßenprotesten, richtete sich deren Politik als Appell an den Staat, mehr Härte zu zeigen, nicht gegen ihn.
Vor diesem Hintergrund ist das, was gerade passiert, ein besorgniserregendes Novum. Mitte Januar beteiligten sich über 10.000 Menschen an einer zentralen Anti-Corona-Demo und zwei Wochen später, trotz kurzfristiger Untersagungen jeglicher Demonstrationen, noch einmal 5.000 bis 8.000 Menschen. Stundenlang zogen die Corona-Leugner*innen auf den wichtigsten Wiener Verkehrsstraßen mehrmals quer durch die Stadt. Es ist ein Antiregierungsprotest von rechts. Angeführt und kanalisiert wird er vom gesamten Spektrum der extremen Rechten. Von den Neonazis der 1990er Jahre bis zu den neueren Strömungen rund um die Identitären. Hinter ihnen sammelt sich bereitwillig eine Masse, in der große Teile der österreichischen Bevölkerung repräsentiert sind. Unter Anleitung der rechten Agitator*innen und im Widerstandsgestus gegen die Politik der Regierung findet eine gezielte Radikalisierung statt: Umsturzfantasien werden offen diskutiert.
Interessant ist das auch, weil mit der ÖVP in Österreich ja eine rechtspopulistische Partei an der Macht ist, deren erklärtes Ziel es ist, die Wähler*innen der FPÖ durch einen stramm rechten Kurs an die eigene Partei zu binden. Auf deutsche Verhältnisse umgelegt ist sie am rechten Flügel der CSU, in Opposition zum Merkel-Kurs, zu verorten.
Diese ÖVP sieht sich jetzt mit einer oppositionellen Bewegung und Kritik von rechts konfrontiert, die ihrem Langzeitplan, eine absolute Mehrheit im Land zu erringen, im Weg steht. Wie sie mittelfristig mit dieser Situation umgehen wird, ist schwer zu sagen, ebenso, ob sie diese Leute überhaupt ernst nimmt, oder glaubt, die Sache aussitzen zu können. Ihr derzeitiges Vorgehen feuert die Bewegung jedenfalls weiter an. Das Recht auf Versammlungsfreiheit dann auch noch gegen die Regierung durchzusetzen, verleiht den Corona-Leugner*innen zusätzliche Stärke.
Brandgefährlich ist eine Polizei, die gewähren lässt und die Menschen teilweise auf der Straße grüßt, statt sie zu stoppen. Dass viele der Polizist*innen, vor allem an der Basis, den Inhalten der rechten Oppositionsbewegung zustimmen, bringt zusätzliche Gewissheit und Sicherheit auf Seiten der Rechten. Es ist ein gefährlicher Schulterschluss. Vielleicht ist es auch das, was Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) dazu bringt, nicht härter gegen die rechte Opposition vorzugehen. Die Polizei zu Härte zu zwingen, könnte mittelfristig ihre Loyalität zum Apparat in Frage stellen.
Auch wenn die Strategie der Polizei viele Fragen aufwirft, ist eines offensichtlich: Das Feindbild Antifa bleibt. Gegenproteste werden verunmöglicht, gewalttätig aufgelöst und mit Repression beantwortet. Aus den rechten Demonstrationszügen heraus wurden immer wieder Journalist*innen und als Antifaschist*innen wahrgenommene Personen angegriffen.
Wir halten die Situation für gefährlich und neu. Eine der Keimzellen des Faschismus ist das Bündnis von Mob und Elite, das sich auf der Straße formiert. Wenn es ergänzt wird um das Gefühl, für das eigene Anliegen Unterstützung in den Reihen der bewaffneten Kräfte zu haben, werden sich auch die Fantasien von der direkten Machtübernahme verstärken. Gleichzeitig erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für faschistische Anschläge, weil die dafür prädestinierten Leute Rückenwind spüren und ihre Gewissheit wächst, vermeintliche Vollstrecker*innen einer schweigenden Mehrheit zu sein. Was sich hier zusammenbraut, ist in der österreichischen Öffentlichkeit noch nicht angekommen, auch nicht in der Linken.