Stoppt diese Polizei
Der Tod von Omar K. durch sieben Schüsse in Hamburg verlangt nach Aufklärung und Konsequenzen
Von Carina Book
Achidi John starb 2001 durch einen Brechmitteleinsatz der Polizei, eine Foltermethode, die der damalige Hamburger Innensenator und nun Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) eingeführt hatte. William Tonou-Mbobda starb 2019 durch die Gewalt von Sicherheitskräften des Universitätsklinikums (UKE) und Yaya Jabbi starb 2016 in einer Gefängniszelle − nun ist in Hamburg erneut ein Mensch durch die Polizei getötet worden.
Sieben Schüsse hatten sie bereits auf Omar K. abgegeben, als am 28. Mai um 15:49 Uhr ein Notruf abgesetzt wurde. Die Schüsse fielen unmittelbar vor der Geflüchtetenunterkunft im Stadtteil Winterhude, die Omar K. bewohnte. Omar K. war, laut der Aussage eines Mitbewohners der Unterkunft, auf dem direkten Weg über die Straße gegangen, um seinen Grasdealer zu treffen und daraufhin mit einem hupenden Autofahrer konfrontiert gewesen. Die Polizei hingegen berichtete, dass Omar etwa hundert Meter weiter an der Kreuzung Hebebrandstraße/Sengelmannstraße Menschen mit einem Messer bedroht sowie mehrere Autos beschädigt habe.
Es folgte ein Polizeieinsatz unter Beteiligung eines Spezialkommandos des LKA 24, das laut Polizei rein zufällig wegen eines anderen Einsatzes zugegen gewesen sein soll. Klingt ausgedacht – könnte aber bald Alltag in Hamburg werden, denn die Stadt hat der Polizei, die in steter Regelmäßigkeit Gefahrengebiete ausruft, ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt: die neue Spezialeinheit namens »Unterstützungsstreife für besondere Einsatzlagen« (USE), eine Mischung aus Streifenpolizei und SEK. Und so ist zu erwarten, dass ein zufällig anwesendes Spezialkommando wie in diesem Fall demnächst keine Seltenheit mehr sein wird – zumindest nicht in den Vierteln, die ohnehin kriminalisiert werden.
Das Spezialkommando des LKA 24 soll zunächst einen Taser Typ X2 gegen Omar K. eingesetzt haben. Diese sogenannten Distanz-Elektroimpulsgeräte werden in Hamburg seit 2015 durch Beamt*innen des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) eingesetzt. Sie verursachen durch Stromschläge, dass die Getroffenen die Kontrolle über ihre Muskeln verlieren und zu Boden stürzen. Videoaufnahmen zeigen, wie Omar K. angeschrien wurde, er solle aufstehen, was nahelegt, dass er bereits am Boden lag. Kurz danach fielen die Schüsse.
Sie trafen ihn in den Oberkörper – nicht etwa in die Beine. Ob Omar K. noch lebte, als der Notruf abgesetzt wurde, oder bereits seinen schweren Verletzungen erlegen war, ist bisher noch unklar. Sicher ist, dass er nach den Schussabgaben zunächst noch gefesselt wurde, wie aus einer schriftlichen Kleinen Anfrage des Linkspartei-Abgeordneten Deniz Çelik hervorgeht.
»Es fragt sich, von welchem Menschenbild die am Tatort eingesetzten Polizeibeamten geleitet wurden, wenn sie meinten, einen mit sieben Schüssen schwer verletzen Menschen noch am Boden fixieren und fesseln zu müssen«, sagt Rechtsanwalt Mülayim Hüseyin, der nun die Initiative Gerechtigkeit für Omar gegründet hat. Ob hier gar ein Fall von Übertötung vorliegt (also dem Zufügen von deutlich mehr Gewalt, als zur eigentlichen Tötung nötig gewesen wäre) können vielleicht Kriminolog*innen klären – für Rechtsanwalt Hüseyin steht jedenfalls fest: »Es gibt nach den Erkenntnissen, die wir bereits gewonnen haben, keine Rechtfertigung für die Tötung. Das nun ein Ermittlungsverfahren gegen nur einen Beamten und wegen Körperverletzung mit Todesfolge angestrengt wurde, ist erbärmlich. Wir reden hier von sieben Schüssen, die auf den Körper gerichtet worden sind. Da kann von nur Körperverletzung nicht die Rede sein. Es war sicher davon auszugehen, dass Omar diese Schüsse nicht überleben würde.«
Der Hamburger Senat verrät bislang wenig über den Verlauf des Einsatzes und die tödlichen Schüsse. Die meisten Fragen aus der Kleinen Anfrage von Deniz Çelik blieben unbeantwortet – angeblich aus ermittlungstaktischen Gründen. Unterdessen ergießen sich Hamburgs Boulevardblätter in rassistischen Stereotypen und es zeigt sich erneut, dass sich auch 20 Jahre nach dem NSU-Mord an Süleyman Taşköprü kaum etwas am rassistischen Denken und Handeln von Medien, Polizei und Politik geändert hat.