Wer Schikane fordert, gewinnt
Die Lebenssituation von Geflüchteten zu verschlechtern, ist Parteistrategie geworden
Gerade erst hat die Bundesregierung die heftigste Asylrechtsverschärfung seit Jahrzehnten verabschiedet. Das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz soll Olaf Scholz‘ prominente Ankündigung vom Spiegel-Cover aus dem Herbst wahr machen: Abschiebungen im großen Stil. Asylsuchende sollen fortan etwa nicht nur, wie gerade im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) beschlossen, an den europäischen Außengrenzen eingesperrt werden, sondern zunehmend auch in Deutschland. Wenn sie ohne offizielle Erlaubnis nach Deutschland einreisen – was die meisten mangels legaler Fluchtwege machen –, können sie jetzt direkt in Haft genommen werden, auch wenn sie umgehend einen Asylantrag stellen. Abschiebungen müssen nicht mehr angekündigt werden und dürfen, wenn die Betroffenen älter als zwölf Jahre sind, auch nachts stattfinden. Das bedeutet zum Beispiel, dass ein 13-jähriges Kind, das sich gerade eingelebt hat, aus dem Schlaf gerissen und verschleppt werden darf. Doch mit jenen Verschärfungen nicht genug. Schon geht es um weitere Instrumente zur Schikane von Geflüchteten: um eine Bezahlkarte und eine Arbeitspflicht.
Die Bezahlkarte war bereits beim Migrationsgipfel im November beschlossene Sache. Die Grünen hielten zunächst daran fest, Asylsuchenden und Kommunen vor allem Aufwand ersparen zu wollen: Die Bezahlkarte sollte einer gewöhnlichen Bankkarte gleichen, mit Zugriff auf ein Konto. Anfang März knickten sie, wie schon bei den vorigen Asylrechtsverschärfungen, ein. Nun kommt eine Bezahlkarte, mit der Länder und Kommunen zuvorderst die Lebenssituation Asylsuchender verschlechtern können: Sie können verfügen, dass diese nur in bestimmten Läden und in einem bestimmten Umkreis mit der Karte zahlen dürfen – was der Wiedereinführung der Residenzpflicht gleicht. Überweisungen lassen sich mit der Karte auch nicht tätigen und Bargeld abheben sowieso nicht. Damit fallen günstige Einkaufsmöglichkeiten wie etwa Tafeln, Möbelbörsen oder Wochenmärkte weg – und das, obwohl die Höhe der Bargeldauszahlung an Geflüchtete schon zuvor nicht einmal das Existenzminimum deckte, wie der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert. Zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt warnt er in einem offenen Brief: Die Karte werde »Armut vergrößern und Teilhabe verhindern«.
Und das soll sie ganz offenkundig auch. Das CDU-regierte Landratsamt aus Greiz in Thüringen, das die Bezahlkarte schon vergangenes Jahr eingeführt hat, brüstete sich im Januar damit, es seien deshalb schon mehrere Asylsuchende wieder abgereist. Belege für diesen Zusammenhang gab es keine. Die CDU hat es längst zur Strategie gegen die AfD-Konkurrenz gemacht, selbst immer weiter populistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete zu betreiben. Einige CDU- und CSU-Landräte verkünden gerade stolz, dass sie nun, gemäß ihres Spielraums im Asylbewerberleistungsgesetz, beginnen, Geflüchtete für 80 Cent pro Stunde zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Gleichzeitig verlangen sie nach noch mehr Möglichkeiten, die Schutzsuchenden zur Arbeit zu zwingen. »Arbeitspflicht für ALLE Flüchtlinge!« forderte Reinhard Sager (CDU), Präsident des Landkreistags, Ende Februar in der Bildzeitung.
Das ist perfide, schließlich wollen sehr viele Asylsuchende arbeiten, dürfen aber aufgrund geltender Regelungen nicht. Die Forderungen sollen die rassistische Mär des faulen Flüchtlings verbreiten, der den Deutschen auf der Tasche liege. So verkündet der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU), man müsse Geflüchteten klarmachen, »wir leben hier nicht in einem Schlaraffenland«. Die »linksgrüne« Bundesregierung zeige sich in der Migrationspolitik handlungsunfähig, behauptet Thüringer CDU-Chef Chef Mario Voigt ebenfalls in der Bildzeitung. Dabei hat jene Regierung den rechten Kurs längst übernommen. Rhetorisch und in der Tat hat sie das Versprechen auf Schutz für Asylsuchende geopfert –und damit die rassistische Hetze nur weiter befeuert: Die Zahl der Übergriffe auf Geflüchtete war 2023 bereits fast doppelt so hoch wie im Jahr zuvor.