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Weder für China noch für die USA

Die philippinische Linke kämpft um ihr Überleben – und für eine Deeskalation des innerimperialistischen Konflikts

Von Justus Johannsen

Aufnahme von vier amerikanischen Kriegsschiffen
Die Militarisierung des Westpazifik schreitet weiter voran. Mittendrin: die philippinische Regierung. Foto: Official U.S. Navy Page / Flickr, CC BY 2.0

Die Philippinen befinden sich derzeit im Fadenkreuz geopolitischer Machtkämpfe, insbesondere zwischen den USA und China. Gleichzeitig intensiviert die pro-amerikanische Regierung Ferdinand Marcos Jr. die interne Aufstandsbekämpfung gegen die nationale Demokratiebewegung, die für Selbstbestimmung und sozialistische Ideen eintritt. Linke und progressive Kräfte im Land positionieren sich auf keine der beiden Machtblöcke und fordern die Entmilitarisierung des Südchinesischen Meeres und eine Deeskalation des innerimperialistischen Konflikts.

Ein langer, langer Weg zur Unabhängigkeit

Die Geschichte der philippinischen Inseln ist geprägt von Kolonialherrschaft und Unabhängigkeitskämpfen. Von 1521 bis 1898 waren die Philippinen spanische Kolonie und erkämpften sich 1898 ihre Unabhängigkeit. Diese währte nicht lange – während des Krieges zwischen den USA und Spanien 1899-1902 wurden die Philippinen amerikanische Kolonie und während des Zweiten Weltkrieges zeitweise von Japan besetzt. In beiden Kriegen verloren über zwei Millionen Filipinos ihr Leben. Die im Zweiten Weltkrieg gegründete kommunistische Guerilla Hukbalahap kämpfte zunächst gegen die japanische Besatzung und führte nach 1946 den Widerstand gegen pro-amerikanische Regierungen, wurde aber 1950 zerschlagen. Fortgeführt wurde der Widerstand anschließend durch die Kommunistische Partei der Philippinen (CPP), die seit über 50 Jahren mit der Neuen Volksarmee (NPA) und dem Bündnis Nationale Demokratische Front (NDFP) gegen US-verbündete Regierungen kämpfen. Daneben gibt es den legalen parlamentarischen Kampf zivilgesellschaftlicher Gruppen für Freiheit und Demokratie.

Die USA nutzten die Philippinen nicht nur im Zweiten Weltkrieg, sondern auch in den Kriegen gegen Korea und Vietnam als Basis für ihre Streitkräfte. Während einer verdeckten Intervention gegen die kommunistische Bewegung in Indonesien, bei der etwa zwei Millionen Menschen getötet wurden, dienten die Philippinen als Basis für logistische und operative Unterstützung. Heute spielt der Inselstaat wieder eine wichtige Rolle in der US-Außenpolitik, insbesondere im Konflikt mit China. Die geografische Lage der Philippinen in der Nähe von Taiwan und dem Südchinesischen Meer macht sie zum Schauplatz des Machtkampfes in der Region.

China fordert die Souveränitätsrechte der Philippinen in ihrer 200 Kilometer breiten ausschließlichen Wirtschaftszone heraus, während die USA ihre Militärpräsenz verstärken, um ihre Interessen zu schützen. Bei einem trilateralen Gipfeltreffen mit Japan und den Philippinen im April 2024 bekräftigte US-Präsident Joe Biden seine »eiserne« Unterstützung für seinen Verbündeten angesichts der chinesischen Angriffe in den Gewässern der Westphilippinen. China warf den Ländern vor, »den regionalen Frieden und die Stabilität zu untergraben«.

Unter der Führung von Marcos Jr., der am 30. Juni 2022 sein Amt antrat, haben die Philippinen einen eindeutigeren pro-amerikanischen Kurs eingeschlagen. Die USA dürfen Militärstützpunkte in der Nähe umstrittener Inseln im Südchinesischen Meer und vor allem in der Nähe Taiwans nutzen. Die Kooperation bei Militärmanövern zwischen den USA und den Philippinen wurde verstärkt, ebenso die Zusammenarbeit mit anderen US-Verbündeten im Pazifik. US-Medien sprechen von einer »vereinten Front gegen China«.

Auch Deutschland verstärkt sein Engagement im Indopazifik und entsendet fast drei Dutzend Militärflugzeuge sowie zwei Kriegsschiffe zu Gefechtsübungen in die Region. Die Bundesrepublik beteiligt sich an fünf militärischen Großübungen und zeigt damit ihre bisher größte militärische Präsenz in dieser Weltregion. Die »Leitlinien Indopazifik 2020« der Bundesregierung betonen die wachsende Bedeutung der Region für Deutschland. Außenministerin Annalena Baerbock ließ persönlich eine von Deutschland gelieferte Drohne in Manila aufsteigen, während Präsident Ferdinand Marcos Jr. und Bundeskanzler Olaf Scholz über die künftige Ausbildungshilfe der Bundeswehr für die philippinischen Streitkräfte sprachen. Manila will in den kommenden Jahren 35 Milliarden US-Dollar in die Aufrüstung investieren, deutsche Rüstungsfirmen gelten als mögliche Lieferanten.

Repression gegen die Demokratiebewegung

Im Rahmen der weltweiten Anti-Terror-Kampagne nach dem 11. September 2001 hat das philippinische Militär zivilgesellschaftliche Akteure, Aktivist*innen und Basisorganisationen ins Visier genommen, die verdächtigt werden, als zivile Unterstützungsbasis oder »Frontorganisationen« der CPP und ihrer bewaffneten Einheiten, der NPA, zu dienen. Menschenrechtsorganisationen haben Tausende von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen dokumentiert, darunter staatlich sanktionierte Tötungen von Aktivist*innen, Verschwindenlassen, illegale Inhaftierungen, geschlechtsspezifische Gewalt und Folter. Laut Amnesty International sind diese Menschenrechtsverletzungen Teil einer anhaltenden Kampagne zur Aufstandsbekämpfung. Die Regierung erhebt auch unbegründete Anklagen gegen Aktivisten wegen angeblicher »terroristischer Aktivitäten«. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, warnte, dass das Abstempeln von Einzelpersonen oder zivilgesellschaftlichen Gruppen als Kommunisten (sogenanntes »Red-Tagging«) oder Terroristen häufig zu außergerichtlichen Hinrichtungen führe und eine ernsthafte Bedrohung für die Zivilgesellschaft und die Meinungsfreiheit darstelle.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, warnte, dass das Abstempeln von Einzelpersonen oder zivilgesellschaftlichen Gruppen als Kommunisten häufig zu außergerichtlichen Hinrichtungen führe.

Im Mai wurden die Kriegsverbrechen von Ferdinand Marcos Jr. und des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte vor einem internationalen Volkstribunal in Brüssel verhandelt. Das Tribunal untersuchte Fälle von »Red-Tagging«, außergerichtlichen Tötungen, Zerstörung von indigenen Schulen, Massakern und Schändung der sterblichen Überreste von Kombattanten durch die philippinischen Streitkräfte. Von letzterem berichtete die Zeugin Cullamat während des Tribunals, deren Tochter Jevelyn, eine unbewaffnete Kämpferin der Neuen Volksarmee, im Jahr 2020 von philippinischen Militärs hingerichtet wurde.

Rose Hayahay vom Netzwerk Save our Schools und ehemalige Lehrerin an den indigenen Lumad-Schulen, die vom Duterte-Regime geschlossen wurden, berichtete über die wahllose Bombardierung von Dörfern durch die philippinischen Streitkräfte, die Gemeinden zur Evakuierung zwang und Schulen zerstörte, »in denen Schüler einst lernten und aufwuchsen«.

Ein Urteil befand die philippinische Regierung unter dem früheren Duterte-Regime und dem derzeitigen Marcos-Regime verschiedener Kriegsverbrechen nach dem humanitären Völkerrecht für schuldig. Auch die US-Regierung wurde für mitschuldig befunden, da sie die philippinische Regierung bei ihrem Aufstandsbekämpfungsprogramm unterstützt, ausgebildet, finanziert und beliefert hatte.

Eine weitere Zeugin, die Umweltaktivistin Jonila Castro, erinnerte sich an ihre Entführung durch staatliche Agenten als Teil eines größeren Musters von Menschenrechtsverletzungen durch die philippinische Regierung. Das Urteil des Tribunals gilt als Quelle der Kraft und Inspiration für die nationale Demokratiebewegung auf den Philippinen.

Leitender Ankläger Jan Fermon betonte die Bedeutung der internationalen Öffentlichkeit angesichts der Tatsache, dass die Friedensgespräche zwischen der philippinischen Regierung und dem linken Bündnis NDFP wiederholt durch die Ermordung von Vertreter*innen der NDFP torpediert wurden.

Die Chancen für eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche sind derzeit gering. Der Sicherheitssektor unter dem Marcos-Regime glaube, den Krieg gegen die NDFP gewonnen zu haben, und sehe keinen Nutzen in Friedensgesprächen, so Teodoro Casiño, ehemaliger philippinischer Kongressabgeordneter und Vorsitzender der Allianz Bagong Alyansang Makabayan während des Tribunals. Er sagte: »Der Konflikt kann nur durch den verstärkten Kampf des Volkes gelöst werden. Deshalb muss die fortschrittliche Bewegung auf den Philippinen die Entmilitarisierung des Südchinesischen Meeres, die Deeskalation des Konflikts zwischen den Philippinen und China und ein Ende der von den USA angezettelten Provokationen in der Region fordern.«

Justus Johannsen

ist Aktivist, politischer Bildungsreferent und schreibt regelmäßig über soziale Bewegungen und internationale Konflikte.