Schlecht angefangen, stark nachgelassen
Hamburger Symbolpolitik gegen das Kalifat
Von Pajam Masoumi
Wer sich mit islamistischen Strukturen in Europa beschäftigt, wird schnell auf die Hansestadt Hamburg stoßen. Die Attentäter des 11. September wohnten und radikalisierten sich in Hamburg, die Blaue Moschee an der Alster ist Dreh- und Angelpunkt des iranischen Regimes in Deutschland. Zuletzt geriet Hamburg mit zwei Demonstrationen im Stadtteil St. Georg in die Schlagzeilen, auf denen die Errichtung eines Kalifats proklamiert wurde. Bereits im Februar kam es zu einer Demonstration, bei der schwarze Fahnen mit weißem Glaubensbekenntnis über den Köpfen wehten.
Angemeldet wurde die Demo von Muslim interaktiv, einer Tarnorganisation der Hizb ut-Tahrir (HuT). Diese richtet sich, im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen, an die Ummah, die Gesamtheit aller Muslime. Erklärtes Ziel von HuT ist die Errichtung eines weltweiten Kalifats. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein gesellschaftlicher Umwälzungsprozess angestrebt, der in einem Staatsstreich mündet. Bereits 2003 wurde die Organisation bundesweit mit einem Betätigungsverbot belegt, woraufhin sich Tarnorganisationen, wie die bereits erwähnten Muslim interaktiv, Generation Islam oder Realität Islam gründeten und ungeniert agieren konnten.
Besonders auf Social Media sind die Gruppen aktiv, dort sprechen sie vor allem junge Muslime an. Frauen sind, wie auch auf den Demos mit einem kleinen, abgetrennten Block sichtbar, nicht die Kernzielgruppe, auch wenn sie in Kampagnen wie #NichtOhneMeinKopftuch gelegentlich adressiert werden. Besonders nach den rassistischen Morden in Hanau bekamen die Gruppen Aufwind. In Videos, Instagramkacheln und Facebook-Beiträgen werden Rassismus, imperialistische Kriege und Ausbeutung zu einem »Krieg gegen Muslime« umgedeutet, gegen den es sich zur Wehr zu setzen gilt.
All dies ist Behörden, Wikipedia und Medien seit Jahren bekannt. Auf die Diskussion rund um die Demonstrationen von HuT folgte ein Vorstoß der Hamburger SPD und Grünen, der bereits durchgewunken wurde: ein Gesichtsschleierverbot für Mädchen an Schulen. Laut Schulbehörde trifft die Maßnahme zur Verteidigung des Abendlandes ganze zehn Personen. Anstatt, wie die innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linken Cansu Özdemir anmerkt, das Thema Islamismus in Schulen überhaupt auf den Tisch zu bringen, wird mit Schulverweis junger Mädchen gedroht. All dies spielt nur in die Karten von Organisationen wie Muslim interaktiv, bestätigt es doch das Narrativ willkürlicher Repression gegen Muslime. Dies zeigt sich auch an der Teilnehmendenzahl der Demonstrationen: Nach der Berichterstattung von Springer und Co., juristisch nicht umsetzbaren Verbotsforderungen und den Social-Media-tauglichen Videos hat sich die Anzahl der Teilnehmenden von 1.000 auf 2.300 mehr als verdoppelt.