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|ak 712 | Wirtschaft & Soziales |Reihe: FAQ. Noch Fragen?

Warum liebt Trump Zölle?

Von Lene Kempe

Donald Trump, von vorne fotografiert, steht auf einer Bühne und zeigt mit dem Finger richtung Publikum. Er grinst
Mr. Tariff aka Donald Trump. Foto: Gage Skidmore/Flickr, CC BY-SA 2.0

Diese Frage beschäftigt aktuell Staatsvertreter*innen und Analyst*innen weltweit. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte der US-Präsident Strafzölle verhängt, gegen China und die EU; sein Nachfolger Biden führte diese Politik fort. Der neuerlichen Trump´schen Zolloffensive wird jedoch das Potenzial bescheinigt, die Architektur des globalen Welthandelssystems grundlegend zu verändern. Der zollverliebte US-Präsident hat seinen Handelspartner*innen gleich zu Beginn seiner Amtszeit den (Handels-)Krieg erklärt: Unter anderem verhängte er 25-Prozent-Zölle auf alle Einfuhren aus Mexiko sowie der meisten Importe aus Kanada, deren Ökonomien stark vom Handel mit den USA abhängig sind. Nach Zugeständnissen beim Grenzschutz gewährte er beiden Ländern zunächst einen Aufschub – nur um die Zölle am 4. März wieder einzuführen. Und zwei Tage später nochmals bis Anfang April auszusetzen. Zudem kündigte Trump an, das US-Zollniveau für solche Warengruppen anzupassen, die in anderen Ländern höher besteuert werden. Und für sämtliche Einfuhren aus China erhebt die USA künftig zwanzig Prozent zusätzliche Zölle, angedroht sind allerdings bis zu 60 Prozent. Für Aluminium und Stahl gelten ab dem 12. März zusätzliche Abgaben von zehn Prozent für ausnahmslos alle Einfuhren in die USA, was Länder wie Brasilien oder Vietnam als große Stahl- und/oder Aluminiumproduzenten ebenso empfindlich treffen wird wie Deutschland als größter Stahlproduzent in der EU. Auch Zölle auf EU-Importe (25 Prozent) sind mittlerweile angekündigt – eine Hiobsbotschaft für die angeschlagene Autoindustrie.

Was will Trump damit bezwecken? Die USA haben eine tiefrote Leistungsbilanz, das heißt, sie importieren deutlich mehr Waren und Dienstleistungen, als sie exportieren. 2024 betrug das Minus eine Billion Euro. Vordergründig profitieren die USA also weniger vom globalen Freihandel als beispielsweise die stark auf den Warenexport ausgerichteten Volkswirtschaften Chinas und Deutschlands. Diese Zölle führen nun dazu, dass Waren aus dem Ausland in den USA teurer werden und damit für die US-Konsument*innen weniger interessant. Sie könnten sich also künftig häufiger für US-amerikanische Produkte entscheiden. Zudem könnte sich hinter hohen Zollmauern, geschützt vor der ausländischen Konkurrenz, der schwache US-Industriesektor, die Öl- und Gas-Unternehmen oder die Automobilproduktion wieder erholen bzw. neue Industrien aufgebaut werden. Und nebenbei würden ausländische Unternehmen dazu animiert, direkt in den USA zu produzieren (und dort ihre Steuern zu zahlen), um die Zollaufschläge zu umgehen. Das schafft Arbeitsplätze. Soweit die Theorie.

Natürlich haben auch die USA jahrzehntelang von dem globalen Handelssystem profitiert

Tatsächlich geben viele deutsche Unternehmen an, über Verlagerungen in die USA nachzudenken. Denn große Unternehmen können sich bekanntermaßen auch in einer Welt der Zölle frei für den Standort entscheiden, der ihnen die höchsten Profite verspricht. Aktuelle Zahlen zeigen, dass sich deutsche Unternehmen verstärkt in den US-Markt einkaufen und dorthin expandieren, beispielsweise Siemens und VW – während die Investitionen in Deutschland zurückgehen.

Ob das der US-amerikanischen Arbeiter*innenklasse helfen wird, der Trump mehr Wohlstand verspricht, ist allerdings fraglich. Denn Industriezweige neu aubzubauen kostet Zeit und für sie dürften sich die Lebenshaltungskosten zunächst einmal deutlich erhöhen, weil Importeure (etwa von Agrarprodukten oder günstigen Elektrogeräten aus China) den Zollaufschlag in Gestalt von Warenpreisen an sie weiterreichen können. Zudem kündigten China und die EU bereits Gegenzölle an, was den Absatz amerikanischer Produkte auf diesen Märkten schmälern dürfte. Das Trump´sche Zoll-Projekt wirft aber noch aus einem anderen Grund Fragen auf.

Denn natürlich haben auch die USA jahrzehntelang von dem globalen Handelssystem profitiert – dank der starken Position des US-Dollars im internationalen Handel. Nur deswegen konnte das Land sein gigantisches Handelsbilanzdefizit mit enormen Staatsschulden finanzieren, ohne einen wirtschaftlichen Niedergang befürchten zu müssen. Weil der Dollar als globale Leitwährung gilt, halten ausländische Finanzakteure gigantische Geldanlagen in Dollar, etwa in Gestalt von Aktien, Unternehmens- oder US-Staatsanleihen. Deshalb wertet der Dollar nicht ab – trotz Staatsschulden und Handelsbilanzdefizit.

Der amerikanische Finanzsektor profitiert also wie kein anderer von der Globalisierung, aber auf Kosten des amerikanischen Exportsektors, dessen Wettbewerbsposition durch den starken Dollar geschwächt wird. Trump möchte auch aus dieser Schieflage heraus, zumal etwa China seine Währung Renminbi seit Jahren an den starken USA Dollar koppelt und ihn damit künstlich abwertet – weil das die chinesischen Exporte verbilligt. Dieses System lässt sich allerdings nicht dadurch aufbrechen, dass die USA beispielsweise mehr Autos verkaufen, betont der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze. Man müsste die Nachfrage nach dem Dollar bremsen, etwa durch Kapitalverkehrkontrollen. Dann jedoch, so meint Tooze, würde »die Hölle« an der Wall Street losbrechen.

Lene Kempe

ist Redakteurin bei ak.

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