Langer Atem an der Waterkant
Entgegen den Plänen des Senats ging die Teilprivatisierung des Hamburger Hafens noch nicht über die Bühne
Von Laura Six
Mehr Aufmerksamkeit, als es dem Hamburger Senat lieb gewesen dürfte, hat er in den vergangenen Monaten erhalten: der sogenannte MSC-Deal. Dabei geht es um einen Einstieg des Reederei-Giganten in die städtische Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Während vor allem Hafenarbeiter*innen und die Gewerkschaft ver.di seit Bekanntmachung des Deals unentwegt Protest organisiert haben (ak 701), dürfte spätestens auf einer Expert*innenanhörung im März erneut deutlich geworden sein, dass Kritik und Bedenken an dem Vorhaben mittlerweile breiter aufgestellt sind.
Vor allem zwei Punkte beschäftigten die dort vorgeladenen Expert*innen: Da ist zum einen die zukünftige Beteiligungsstruktur durch die Schaffung einer gemeinsamen Holding, der Port of Hamburg Beteiligungsgesellschaft SE (PoH), in die die Stadt Hamburg 50,1 Prozent und MSC 49,9 Prozent ihrer Anteile einbringen würden. Über dessen Exekutivorgan, der Verwaltungsrat, würde MSC zukünftig ein Veto-Recht in strategischen Fragen wie der Investitionsplanung die HHLA betreffend zukommen.
Zum anderen äußerten einige der anwesenden Expert*innen Zweifel an der Bewertung der Vermögenswerte der HHLA seitens des Senats. Denn um die verbleibenden HHLA-Aktien in Streubesitz aufzukaufen, hatten die Stadt und MSC den Aktionär*innen ein Angebot unterbreitet, das sich am Aktienwert orientiert. Da MSC mit seinen zukünftig 49,9 Prozent Anteilen jedoch erhebliche Beteiligung am gesamten Unternehmen zukommt, zähle hier der Unternehmenswert, so die Expert*innen. (ak 699) Ob dieses Vorgehen juristisch zulässig ist oder der niedrige Preis für die Aktien eine unzulässige Beihilfe darstellt, wie Abgeordnete der Opposition vermuten, soll nun auf EU-Ebene geprüft werden.
Charmeoffensive von MSC
Dass solche Informationen in den vergangenen Monaten breiteren Zweifel am MSC-Deal gesät haben, lässt sich auch an der Reaktion der Gegenseite ablesen. Anfang April wendete sich der Deutschland-Chef von MSC, Nils Kahn, mit einem Brief an die Abgeordneten der Bürgerschaft und pries seinen Konzern erneut als starken Partner, mit dem Hamburg zukünftig Hafengeschichte schreiben werde. Die folgende Ankündigung seitens MSC, zwei seiner Liniendienste neu auszurichten und damit zukünftig wöchentlich mehr Ladung über die Hansestadt abzuwickeln, kann als Versuch gesehen werden, das Vertrauen der Parlamentarier*innen in den Deal zu gewinnen.
Der Hafen steht ohnehin unter Transformationsdruck, und das bekommen allen voran die Beschäftigten zu spüren.
Zugleich verliefen öffentliche Anhörungen und Parlamentsdebatten zur Causa MSC zunehmend kontrovers, immer auch unter Beteiligung von Beschäftigten aus dem Hafen und vereinzelt auch Personen aus der Zivilgesellschaft. Auf parlamentarischer Ebene verschoben sich die für den Deal notwendigen Abstimmungen aufgrund hartnäckiger Interventionen seitens der Opposition Woche um Woche. In der letzten Bürgerschaftssitzung im Juli vor der Sommerpause zählten dann jedoch – wie so häufig – nicht sachliche Argumente, sondern vor allem Kräfte- und Stimmverhältnisse: der Vorschlag zur Änderung des Hafenentwicklungsgesetzes, mit dem der Deal besiegelt werden soll, wurde in einer ersten Lesung mit 71 zu 34 Stimmen angenommen. Während Matthias Petersen als einziger SPD-Abgeordneter gegen den Deal stimmte, waren die verbleibenden Kritiker*innen in den Reihen des Senates der Abstimmung vielfach ferngeblieben. Bereits wenige Tage zuvor hatten die Opposition aus CDU und Linke angedeutet, einer notwendigen zweiten Lesung nicht zuzustimmen und die finale Abstimmung damit auf den Zeitpunkt bis nach der Sommerpause zu verschieben.
Zeit gewonnen
Positiv sei, dass es zu einer politischen Auseinandersetzung um das Thema Privatisierung gekommen sei, resümiert Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Hamburger Linksfraktion, gegenüber ak. »Was wir insgesamt bis hierhin erreicht haben, ist, dass dieses Thema nicht so schnell durchgedrückt werden kann. Die Erwartung seitens des Senats war ja immer, dass die Zustimmung wachsen wird, aber das Gegenteil ist der Fall.« Man habe es geschafft, mit der Expert*innenanhörung mit Sachverstand zu punkten. Nun werde der Deal auch in der Bevölkerung viel stärker diskutiert, als zu Beginn. Das sei auch unter demokratischen Gesichtspunkten wichtig, so Hackbusch weiter.
Ein ähnliches Resümee zogen auch Hafenarbeiter*innen der Initiative Notruf 040 auf einem Vernetzungstreffen, zu dem sie und die Gewerkschaft ver.di im Anschluss an die Bürgerschaftssitzung im Juli eingeladen hatten. »Natürlich kann man fragen, was unsere Aktionen gebracht haben? Wir haben Zeit damit gewonnen. Wenn’s nach dem Senat gegangen wäre, hätte der Deal eigentlich im Dezember durch sein sollen«, sagt Deniz Askar-Dreyer, Hafenarbeiter bei Eurogate. Nun ginge es in die entscheidende Phase, um die Hamburger*innen mit auf die Straße zu bringen. Mit einer Aktionswoche Ende August wollen Beschäftigte, die Gewerkschaft ver.di und linke Gruppen deshalb vor allem die Hamburger Stadtgesellschaft für weitere Proteste im Vorfeld der finalen Abstimmung in der Bürgerschaft mobilisieren.
Viele Hafenarbeiter*innen hatten sich von Beginn an gegen den Deal ausgesprochen. Denn der Hafen steht ohnehin unter Transformationsdruck, und das bekommen allen voran die Beschäftigten zu spüren. Der MSC-Deal ist ein konkreter Schauplatz dieser Veränderung, erklärt Malte Klingforth, Hafenarbeiter im Gesamthafenbetrieb gegenüber ak: »Der Senat hat MSC geholt, um bei der Transformation der HHLA Gas zu geben. Das bedeutet, der Senat holt MSC auch, damit es Arbeitsplatzabbau gibt. Und das ist den Kolleg*innen auch bewusst.«
Dass MSC im Zweifel mit harten Bandagen gegen seine Beschäftigten vorgeht, zeigte sich im Juni am Arbeitsgericht in Hamburg. Bei dem Gerichtstermin ging es um die zweifache Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Wjatscheslaw »Slawa« Fur von Medrepair, einem Tochterunternehmen von MSC, das Container repariert. Rechtlichen Beistand holte sich Medrepair von Helmut Naujoks, ein bekannter Union-Busting-Anwalt. Auch die HHLA machte schon früh deutlich, dass sie den Deal im Zweifel auch gegen die Interessen der Beschäftigten durchsetzen werde. Nach einem wilden Streik im vergangenen November, der sich gegen den MSC-Einstieg richtete, verteilte die Geschäftsleitung etliche Abmahnungen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen nutzen die Beschäftigten und ver.di nun auch die seit Juni laufenden Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeberverband Zentralverband deutscher Seehäfen (ZDS), um bei Streikdemonstrationen durch die Innenstadt die Stadtgesellschaft auf den anstehenden Deal mit MSC aufmerksam zu machen. Vereinzelt hatten auch linke Gruppen dazu aufgerufen, sich den Kundgebungen und Demos anzuschließen, doch insgesamt war das Interesse bislang eher verhalten (ak 703).
Die Tür steht offen
Für viele Linke sind Hafenarbeiter*innen ein klassenpolitisches Sehnsuchtsobjekt – konkrete Berührungspunkte gibt es jedoch wenige. Insbesondere in umweltpolitischen Fragen standen sich beide Gruppen in der Vergangenheit oftmals auf unterschiedlichen Seiten gegenüber, beispielsweise als das Dorf Altenwerder im Süden der Stadt Ende der 1990er Jahre für den Containerterminal weichen musste oder auch in ökologischen Fragen wie der Elbvertiefung. Zudem hat die jahrzehntelange sozialpartnerschaftliche Tradition im Hafen Vernetzung mit linken Basisgruppen eher verhindert als befördert. Dies ändere sich jedoch gerade, wird von Hafenarbeiter*innen immer wieder betont. So sei etwa die sich wandelnde Streikkultur auch Ausdruck einer neuen Konfliktorientierung, sagt Malte Klingforth. Dass diese neue Konfliktorientierung auch neue gesellschaftspolitische Räume öffnet, hatten die Hafenarbeiter*innen mit ihrer spontanen Arbeitsniederlegung im November eindrücklich bewiesen. Sie hatten damit nicht zuletzt die Frage aufgeworfen, wie und unter welchen Bedingungen so ein Konflikt, der längst kein reiner Arbeitsplatzkonflikt mehr ist, gesellschaftlich verhandeln werden kann und sollte. Eine Frage, die auch einer Linken nicht egal sein sollte.