Gerechtigkeit für William Tonou-Mbobda
Es ist nun bald ein Jahr und vier Monate her, dass Bruder Tonou-Mbobda im UKE getötet wurde – einem Ort, an dem er während einer psychischen Erkrankung Zuflucht und Heilung suchte. Zum Zeitpunkt des Angriffs saß er ruhig auf einer Bank, zum Zeitpunkt des Angriffs war er weder bewaffnet noch gewalttätig. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat das lange verschleppte Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Fall unseres Bruders Tonou-Mbobda ohne Erhebung einer Anklage einfach eingestellt.
Wir glauben, wenn Bruder Tonou-Mbobda weiß gewesen wäre, wäre er anders behandelt worden und könnte heute noch am Leben sein. Es ist nun bald ein Jahr und vier Monate her und die Fragen der Familie, warum der Sohn, Bruder und Cousin William Tonou-Mbobda getötet wurde, sind immer noch unbeantwortet. Das ist ein anhaltendes Trauma. Gleichzeitig aber ist es wiederkehrende Realität tagtäglicher Erfahrung von rassistischer Brutalität und Verachtung für das Leben Schwarzer Menschen in Deutschland, dass diese immer wieder offensichtlich straffrei getötet werden dürfen.
Die unfassbare Einstellung des Ermittlungsverfahrens im Angesicht der aktuellen weltweiten Massenproteste der Black-Lives-Matter-Bewegung auch hier in Deutschland ist ein Schlag ins Gesicht der trauernden Familie, unserer Black Community hier in Hamburg und weltweit. Sie zeigt einmal mehr eindrücklich, wie berechtigt und notwendig diese Massenproteste sind und bleiben, weil Schwarze Leben auch hier in Deutschland weder zählen, noch einer angemessenen Strafverfolgung würdig erscheinen!
Institutioneller Rassismus und strukturelle Gewalt sind in allen öffentlichen Institutionen so tief verwurzelt, dass selbst in einem führenden Universitätskrankenhaus wie dem UKE ein Schwarzer Patient einfach so und ohne strafrechtliche Konsequenzen getötet werden darf. Die Vertuschungen und Ausreden, die Verschleppung und anhaltende Straffreiheit im Fall Tonou-Mbobda erinnern uns an die vielen Fälle von Oury Jalloh bis Mareame N‚deye Sarr in Deutschland, Adama Traoré und Wissam El Yamni in Frankreich, Rocky Bennett und Stephen Lawrence im Großbritannien und viele andere mehr. All diese schrecklichen Vorfälle sind Belege für strukturellen Rassismus und seine systematische Leugnung. Unsere Geduld ist am Ende. Genug ist Genug!
Wir fordern Gerechtigkeit, Verantwortung und Rechenschaftspflicht in allen Belangen. Inoffizielle Entschuldigungen und geheuchelte Anteilnahme haben schon vor der unsäglichen Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht ausgereicht. Die Institutionen müssen Verantwortung übernehmen und mit jener Last, die wir Schwarzen so lange er- und mittragen müssen, endlich angemessen umgehen. Stattdessen werden sie sich nun bestätigt fühlen in ihrer menschenverachtenden Einschätzung, »alles richtig gemacht« zu haben, wenn sie einen Schwarzen Menschen getötet haben.
Wir sind es leid, aus Menschenverachtung sterben zu müssen. Wir sind es leid, dass Strafverfolgung systematisch unterbunden wird. Wir sind es leid, dass genau dadurch nichts geändert wird. Wir sind es leid, dass Weiße Angestellte und Polizisten ungestraft töten dürfen und wir verurteilen die Staatsanwaltschaft Hamburg für die unverantwortliche Einstellung der Strafverfolgung ohne gerichtliche Beweiserhebung. Es ist an der Zeit, das ungestrafte Töten von Schwarzen Menschen endlich zu beenden. Es ist an der Zeit, Bruder Tonou-Mbobda Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Die Zivilgesellschaft muss jetzt handeln, denn ohne Anklageerhebung, ohne einen unabhängigen zivilgesellschaftlichen Aufklärungsausschuss, ohne das Ende der Zwangsfixierungen in Psychiatrie und bei der Polizei, ohne, dass unseren Communities zugehört wird, wird keiner Gerechtigkeit Genüge getan. Wir rufen Sie, die Zivilgesellschaft auf, mit uns dafür Sorge zu tragen, dass Schutz und die Sicherheit der Menschen im Mittelpunkt stehen und rassistisches Profiling und alle Fälle rassistischer Brutalität effektiv unterbunden werden können.
Der Tod von Bruder Tonou-Mbobda ist ein Symbol für ein System, das sich endlich ändern muss! Unser tiefes Mitgefühl gilt der Familie Tonou-Mbobda. Wir stehen in ihrem Kampf für Gerechtigkeit an ihrer Seite.