Gegenwind für die Klimabewegung
Fridays for Hubraum hat vorgeführt, wie die rechte Antwort auf die Klimaproteste aussehen wird
Von Enno Hinz und Lukas Paul Meya
Laut VW-Konzernstrategie soll bis 2025 jeder zweite weltweit verkaufte Volkswagen ein SUV sein. Es fällt auf, dass sich diese Entwicklung in der Fahrzeugflotte auch anderer Autobauer nicht aus dem vordergründigen Zweck der bequemen Fortbewegung erklären lässt. Das zeigt sich schon in der Werbung. Der BMW X3 G01 wird als geeignetes Fahrzeug für eine Marsmission beworben, obwohl kein*e Käufer*in jemals mit diesem Fahrzeug die Oberfläche des roten Planeten befahren wird. Die Inszenierung des Autos als stabiler Schutzpanzer in einer als feindselig erlebten Umwelt verrät aber die Ichschwäche derjenigen, die sich von der Werbung angesprochen fühlen. Das gestalterische Konzept, das im Falle des SUV »zum profunden Eindruck des Aufgeblähten und Fehlgebildeten führt, genügt weder den Anforderungen des Stadtverkehrs, noch denen von Bauernhof oder Baustelle«. (Johannis Vincent Knecht, Konkret 8/2018) Während es den Vorstandsvorsitzenden der Autohersteller bisher gelingt, ihren klimaskeptischen Zynismus als standortnationalen Pragmatismus zu tarnen, verraten also die Produkte, was die User in der Facebookgruppe »Fridays for Hubraum« (FFH) jetzt bestätigen.
Die Gruppe wurde am 22. September vom KfZ-Meister Christopher Grau auf Facebook gegründet und sollte nach Selbstbeschreibung zunächst »dem überhandnehmenden Klima-Wahn mit Spaß entgegentreten«. Bereits eine Woche nach Gründung hatte die Gruppe mehr als 395.000 Mitglieder. In der Gruppe werden Bilder von Autos ausgetauscht, darunter »Rolling Coal«-Videos. Dabei handelt es sich um einen mittlerweile illegalen Trend aus den USA, bei dem Autos so umgebaut werden, dass auf Knopfdruck sämtliche schadstoffreduzierenden Anlagen deaktiviert werden (das deutsche Privatfernsehen berichtete ausführlich).
Schnell wurde aber auch Greta Thunberg zum Gegenstand der Spaßattacke. Zehntausende rechte Trolls schrieben Kommentare, in denen zu Gewalt gegen die 16-Jährige aufgerufen wurde. Dazu erstellten Gruppenmitglieder eine Flut von Bildern, in denen speziell die Aufrufe zu Mord und Vergewaltigung obsessiv ausgemalt wurden (»Und wenn der Sprit alle iss, wird wieder aufgefüllt und weiter geht’s!«). Dass Kommentare mit zahllosen lachenden Smileys versehen sind, bestätigt die Beobachtung des Kulturtheoretikers Klaus Theweleit, dass dem Massenmord eine karnevaleske Stimmung vorausgeht. Auch wenn sich Greta außerhalb der Reichweite der über 50-jährigen Facebook-Boomer befinden dürfte, ist es wichtig, festzuhalten: Der lachende Smiley signalisiert keine ironische Distanz, er offenbart die Freude an der Vorstellung zu morden und zu vergewaltigen.
Die nicht mehr zu moderierende Flut an Gewaltaufrufen veranlasste die Administratoren der Gruppe, diese vorläufig auf »nicht-öffentlich« zu stellen und eine Verhaltensregel einzuführen, wonach Rassismus und Faschismus in der Gruppe unerwünscht sind. Es gelang jedoch auch danach nicht, die Flut von gewaltverherrlichenden Kommentaren zeitnah zu löschen. Die Admins haben daher für Mitglieder der Gruppe die Möglichkeit, Beiträge zu erstellen, abgeschaltet. Kommentare unter den Beiträgen des Teams sind nur noch während bestimmter Zeiten zugelassen. Außerdem wurden nach Angaben des Gründers 30.000 Mitglieder aus der Gruppe ausgeschlossen.
Das Ergebnis erinnert entfernt an die Social-Media-Praxis der AfD unter Bernd Lucke. Hubraum-Gründer Grau verlinkt eine Social-Media-Ansprache von Frau Merkel und erklärt in seiner Gegenrede, dass er »zu 80% nicht einverstanden« sei. In den Kommentaren darunter wird dazu aufgerufen, aufzustehen und sich das Land zurückzuholen.
Weil Grau den menschengemachten Klimawandel anerkennt und Gewalt verbietet, dürfte der Reiz für die Massenbasis der Gruppe verloren gegangen sein. Unmittelbar nach dem Einsetzen der ersten Moderationsversuche haben sich daher eine Anzahl von kleineren Facebook-Gruppen mit ähnlichen Namen gebildet, die sich auf Fridays for Hubraum sowie auf das Recht auf Redefreiheit beziehen. Die Splittergruppen dürften aber zu klein sein, um Wirkung zu entfalten. In Youtube-Videos zum Thema wird allerdings die Möglichkeit einer gemeinsamen Demonstration (natürlich mit Autos) erwogen. Sobald die Verkehrswende konkret wird, ist mit rechten Autokorsos zu rechnen.
Ähnlich wie nach der allgemeinen Euphorie des Sommers der Migration, folgt auf den Neustart der Klimabewegung durch Fridays for Future (FFF) der Backlash. Der rasante Mitgliederzuwachs und die hohe Dynamik innerhalb der Hubraum-Gruppe stärken die Einschätzung, auf Grundlage derer die Bundesregierung bereits Politik zu machen scheint: Haben die Demoaufrufe der Schüler*innen und die Unterschriftenlisten des Wissenschaftsbetriebs ihr öffentliches Momentum verloren, fährt man in Deutschland besser gegen die als mit der Klimabewegung. In einer öffentlich-rechtlichen Talkrunde von Ende Oktober erschien das Klimapaket der Bundesregierung als vernünftiges Mittelmaß, welches von links und rechts, von FFF und FFH kritisiert wird. Verdrängt bleibt so die Tatsache, dass die Position der Klimabewegung keine Meinung ist, sondern wissenschaftlich bestätigter Imperativ.