Deutscher Handel mit Iran
Die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen sind traditionell eng – die jüngsten Protestes und Repressionen dürften da wenig dran ändern
Von Fabian Westhoven
Seit Wochen protestieren in ganz Iran Menschen gegen die islamische Regierung. Die staatlichen Repressionen sind hart. Das wirft Fragen nach den deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen auf. Eine Frage, die Ende Oktober auch dem Sprecher der Bundesregierung, Stefan Hebestreit, während einer Bundespressekonferenz gestellt wurde: Hat die Bundesregierung ein Interesse daran, dass die deutsch-iranischen Geschäftsbeziehungen mit diesem Regime erhalten bleiben? Hebestreit wischte diese Frage vom Tisch: Dass die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen im Augenblick eine besondere Rolle spielten oder die Regierung besonders beschäftigen würden, könne er nicht bestätigen. Heißt wohl: Soll alles bleiben, wie es ist.
Aber wie ist es – und wie war es? Geschichtlich unterhalten Deutschland und Iran traditionell enge Beziehungen, gerade auch wirtschaftliche. Da das Deutsche Reich in Iran im Unterschied zu England und Russland nicht als Kolonialmacht auftrat, entwickelten sich von Sympathie getragene enge Verhältnisse. 1868 gehörte die Reise Georg Siemens’ zu den ersten wichtigen Versuchen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Bis heute ist der Siemens-Konzern neben anderen Größen der deutschen Industrie, vor allem aus dem Maschinenbau, in dem Land aktiv.
Wichtig wurde Deutschland für Iran vor allem in den zwei Jahrzehnten vor der Islamischen Revolution 1979, als sich das Land in raschem Tempo industrialisierte. Etwa 30 Prozent der iranischen Infrastruktur stammen aus deutscher Produktion. Nach 1979 und dem Beginn der internationalen Sanktionspolitik wurden die wirtschaftlichen Kontakte mit Iran loser. Doch 1984 war der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher der erste westliche Diplomat, der nach der Revolution nach Teheran reiste und versuchte, das Land aus der Isolation zu holen. Die Revolutionsführer hatten aber wenig Interesse an guten Beziehungen zum Westen. Dennoch intensivierten sich die Handelsbeziehungen wieder, ohne aber das Niveau aus der vorrevolutionären Zeit zu erreichen.
Dass deutsche Unternehmen direkt in den Repressionsapparat des iranischen Staates involviert sind, zeigt das Beispiel der Firma Softqloud.
Deutschland gehört bis heute zu den wichtigsten Handelspartnern Irans, unter den EU-Staaten steht es an der Spitze (weltweit ist es China). Beim Blick auf die Handelsbeziehungen der letzten Jahre fällt ein Umstand besonders auf: Immer wenn die wirtschaftlichen Beziehungen westlicher Staaten infolge von Wirtschaftskrisen oder Sanktionspolitiken mit Iran loser wurden, widersetzten sich die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen ein Stück weit diesem Trend. Das war so im Jahr der globalen Rezession 2009, während der Sanktionspolitik von Barack Obama von 2013 bis 2016 und nachdem Donald Trump 2018 den 2015 geschlossenen Atomdeal aufkündigte und zu Sanktionen zurückkehrte. Laut der deutsch-iranischen Handelskammer zeige dies, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern im Vergleich zu anderen europäischen Ländern weniger von globalen Rezessionen oder durch Sanktionen beeinträchtigt würden.
Gleichwohl hatte das Nein von Trump zum Atomdeal zur Folge, dass sich deutsche Unternehmen aus Iran zurückzogen. Zudem schränkten eher große als mittelgroße Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten ein, weil sie stärker vom US-Markt abhängig sind und Gefahr laufen, von den USA aufgrund ihrer Iran-Geschäfte ebenfalls sanktioniert zu werden.
Der Handel zwischen Iran und Europa schrumpfte Ende 2020 im Vergleich zu 2017 um mehr als 78 Prozent. Das Handelsvolumen war noch nie so niedrig wie in diesem Jahr. Doch Deutschland widersetzte sich erneut diesem Trend: Das Handelsvolumen stieg 2020 um sechs Prozent. Eine Steigerung ist auch für das laufende Jahr zu erkennen – zumindest was die ersten fünf Monate anbelangt. Da waren es sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Somit ist Deutschland für Iran ein relativ wichtiger Wirtschaftspartner, umgekehrt gilt dies zwar weniger. Aber die einzelnen involvierten deutschen Konzerne mögen auch nicht mal eben auf ihre Investitionen und Gewinne verzichten, nur weil Irans Regime erneut sein hässliches Gesicht zeigt.
Dass deutsche Unternehmen sogar direkt in den Repressionsapparat des iranischen Staates involviert und somit eine Stütze des Regimes sind, zeigt das Beispiel der Firma Softqloud, die in einem unscheinbaren Reihenhaus im nordrhein-westfälischen Meerbusch ihren Sitz hat. Recherchen von Correctiv, taz und netzpolitik.org zufolge soll das Unternehmen zusammen mit der iranischen Firma ArvanCloud am Aufbau des abgeschotteten Internets in Iran verstrickt sein.