Das Ungarn-Fiasko
Maja T. drohen bis zu 24 Jahre Haft – die deutsche »feministische Außenpolitik« juckt das nicht
Von Carina Book
Sie neigt sich dem Ende entgegen: die Ära der »feministischen Außenpolitik« von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. In ihren (Un-)Tätigkeitsbericht darf sie sich schreiben, dass während ihrer Amtszeit die non-binäre Person Maja T. entgegen einer Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ins queerfeindliche Ungarn ausgeliefert wurde. Mit einer verstörenden Gleichgültigkeit unternahm das Auswärtige Amt keinerlei Anstrengungen, Maja T. wieder zurückzuholen. Bei einem Wahlkampftermin in Jena am 16. Januar sagte Baerbock lediglich, das Außenministerium arbeite auf »vertrauensvollen Kanälen« daran, rechtsstaatliche Verfahren für die Beschuldigten im Budapest-Komplex sicherzustellen.
Ungarn – jener EU-Mitgliedsstaat, der sich seit Jahren durch seinen autoritären Kurs und Menschenrechtsverletzungen hervortut – hat unterdessen Anklage gegen Maja T. erhoben, verbunden mit einem zynischen »Angebot«: Mit einem Geständnis würde Maja T. eine Haftstrafe von 14 Jahren unter verschärften Haftbedingungen akzeptieren und auf die Durchführung des Gerichtsverfahrens verzichten; verweigert Maja ein Geständnis, drohen 24 Jahre. Laut Sven Richwin, Strafverteidiger von Maja T., hat das Gericht nun einen ersten Anhörungstermin auf den 21. Februar 2025 festgesetzt. Der Deal, der keiner ist, stellt Maja T. vor eine Wahl zwischen zwei Formen lebenszerstörender Repression. Es ist ein Schurkenstück eines Schurkenstaates, das den Behörden in Deutschland scheinbar nicht mal ein Achselzucken abnötigt.
Dass Maja T. überhaupt in diese Situation geraten konnte, ist das Produkt eines politischen und juristischen Fiaskos: Die Entscheidung des Berliner Kammergerichts, die die Auslieferung ermöglichte, bezeichnet selbst Cuno Jakob Tarfusser, Mailands früherer stellvertretender Generalstaatsanwalt, in der Zeitung nd als ein »grottenschlechtes« Urteil. Es sei eine Frechheit, ein Urteil auf diese Weise zu fällen und damit über das Leben einer Person hinwegzugehen, so als habe man sich nur eines Problems entledigen wollen – womöglich unter politischem Druck, so Tarfusser. Seine Einschätzung wiegt schwer, schließlich hatte er in Italien maßgeblich dazu beigetragen, dass der Mitangeklagte von Maja T., Gabriele M., nicht ausgeliefert wurde. Italien setzte damit ein klares Zeichen. Gegen Gabriele M. will Ungarn nun in dessen Abwesenheit prozessieren.
Inzwischen ist auch Frankreich in den Fall involviert. Mitte November war dort der in Italien lebende Antifaschist Gino, der die albanische Staatsbürgerschaft besitzt, verhaftet worden. Die Entscheidung über eine Auslieferung nach Ungarn vertagte das französische Gericht am 15. Januar. Es stellte, ebenso wie die italienische Justiz, systematische Mängel hinsichtlich eines fairen Verfahrens fest und forderte von Ungarn Informationen über mögliche Haftbedingungen und den Ablauf eines eventuellen Gerichtsverfahrens an. Die ungarischen Behörden haben nun 15 Tage Zeit, dem französischen Gericht die angeforderten Informationen zu übermitteln. Eine weitere Anhörung ist für den 12. Februar angesetzt. Bis dahin wird Gino in Untersuchungshaft bleiben.
Wenn nach Italien auch Frankreich eine Auslieferung nach Ungarn ablehnt, könnten auch die deutschen Behörden endlich in Erklärungsnot geraten – es wäre ein gutes Zeichen für die deutschen Antifaschist*innen, die derzeit noch gesucht werden, und diejenigen, die bereits in U-Haft sitzen. Liefert Frankreich aus, wird die Luft allerdings noch dünner als ohnehin. Wichtig wird auch die – bisher nicht terminierte – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde werden, denn bislang gibt es in der Sache nur den missachteten Eilentscheid. Zwar könnte auch das Bundesverfassungsgericht die Situation von Maja T. nicht heilen, aber: Würde das Gericht die Auslieferung in der Sache für rechtswidrig erklären, wird auch das deutsche Außenministerium – unter wessen Leitung auch immer – endlich aktiv werden müssen, um Maja T. aus Ungarn zurückzuholen.