Das AfD-Umfragenplateau
Ein genauerer Blick auf die Zahlen ist wichtig – ebenso wie neue antifaschistische Strategien
Von Maike Zimmermann
Ja, das Umfragehoch der AfD ist schlimm – mehr noch, es ist richtig furchtbar und erschreckend. Aber: Es ist gar nicht so plötzlich und neu, wie es die aktuelle Berichterstattung nahelegt. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, würden 19 Prozent (Forsa, 13. Juni) diese extrem rechte Partei wählen.
Nun ist allerdings am Sonntag gar keine Bundestagswahl, sondern erst im Jahr 2025. Und Unzufriedenheit mit der Bundespolitik spiegelt nur bedingt jene mit der jeweiligen Landespolitik wider. Addiert man die landesweiten Umfrageergebnisse, kommt man immerhin auch noch auf 18,2 Prozent – 10,2 in Westdeutschland inklusive Berlin und 26,2 Prozent in Ostdeutschland. Auch wirklich alles andere als schön.
Schaut man sich die einzelnen Länder an, stellt man durchaus Unterschiede fest: In vielen hat die AfD ein bis drei Prozent zugelegt, in Hessen sogar etwas mehr als ein Prozent verloren (nächste Landtagswahl im Oktober 2023), und in einigen Ländern liegt sie nach einer Flaute in etwa beim Niveau der letzten Wahlen. In Sachsen sitzt sie mit 27,5 Prozent im Landtag und steht laut Umfragen bei 28 Prozent (INSA, 7. April), in Brandenburg erzielte sie bei der letzten Landtagswahl 23,5 Prozent und liegt jetzt bei 24 Prozent (IFM, 9. Juni).
Die Rede vom Höhenflug der AfD nützt momentan medial allen voran: der AfD.
Das soll nicht verharmlosend klingen, denn das ist natürlich alles andere als harmlos! Aber die Rede vom Höhenflug der AfD nützt momentan medial allen voran: der AfD. Deren Anhänger*innen kriegen sich gar nicht wieder ein und passen mit vor Stolz geschwellter Brust kaum noch durch die Tür. Unser kleines Zahlenspiel zeigt aber auch: Die AfD ist nun schon seit Jahren mit 20 plus Prozent in den ostdeutschen Landtagen vertreten, hatte die Möglichkeit, sich zu professionalisieren und sich und ihre Positionen zu normalisieren.
Und ja, in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kann sie in den aktuellen Umfragen noch eine Schippe drauflegen. Seit Jahren schauen wir ihr bei ihren Normalisierungsbestrebungen zu. Jetzt fällt plötzlich einigen auf, dass die »Brandmauer« auf Landesebene womöglich nicht mehr halten könnte – dabei existiert sie auf kommunalpolitischer Ebene in vielen Gegenden schon lange nicht mehr. Wir beobachten diese Entwicklung, haben schon vor Jahren voller Schrecken auf die FPÖ geschielt, aber wir finden keine Antworten auf die Frage, wie wir eben diese Entwicklung stoppen können.
Immerhin wissen wir einigermaßen, was nicht hilft: die AfD als rechtsextrem »entzaubern« zu wollen zum Beispiel. Das interessiert die Wähler*innen gerade in Ostdeutschland schon längst nicht mehr die Bohne. Was auch nicht funktioniert, ist, der AfD mit Populismus und rassistischer Stimmungsmache das Wasser abgraben zu wollen – recht beliebt in Teilen der CDU, aber auch bei anderen. Das nützt der AfD und macht die Verhältnisse ganz nebenbei noch beschissener, als sie ohnehin schon sind. Absurd: Da gerieren sich so manche in der CDU als Steigbügel des Faschismus und merken gar nicht, dass die AfD sie erst benutzen und dann kaputtmachen will. Letzteres ist freilich nicht unser Problem, ersteres jedoch sehr wohl.
Antifaschist*innen sind indes vor allem eins: ratlos. Denn alles, was wir in den letzten Jahrzehnten bei der Antifa gelernt haben, klappt hier einfach nicht. Machen wir uns nichts vor: Wir haben uns größtenteils damit abgefunden, dass wir keine Konzepte haben, und schütteln über die Normalisierung dieser extrem rechten Partei und ihrer Positionen maximal hilflos mit Kopf.
Aber wenn es stimmt, dass diese Normalisierung in der Fläche beginnt und dann auf Landes- und Bundesebene fortwirkt – obgleich es sicherlich Wechselwirkungen gibt –, dann müssen wir wohl oder übel genau dort hin. Das Problem sind nicht die Umfrageergebnisse. Das Problem ist, dass wir dem Kulturkampf von rechts mit seinem Rassismus, seinem Wir-zuerst-Denken, seiner Idee von »Heimatliebe« und seinen Identitätsvorstellungen kaum etwas entgegensetzen. Dabei müssen wir dringend einen Weg finden, jene zu stärken, die jeden Tag in diesem Sturm aus Rassismus und Nationalismus stehen. Denn sie werden langsam müde.