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|ak 680 | International

Her mit den neuen Kupferminen

Mit grünem Mäntelchen wollen Bergbaumultis ihre globalen Operationen ausweiten – Umweltzerstörung und Konflikte werden folgen

Von Volker Böge

Bild einer Landschaft. In der Ferne erheben sich Hügel, die in tiefsitzenden Wolken verschwinden. Vorne die Überbleibsel einer alten Mine, viel Schotter, in der Mine die verrosteten Überbleibsel eines LKW
Die Panguna Mine in Bougainville hinterließ tiefe Spuren bei Mensch und Umwelt. Wird sie demnächst im Namen des Umweltschutzes wieder eröffnet? Foto: Unbekannt

Anfang Februar wurde die seit Jahrzehnten stillliegende Panguna-Kupfermine auf der südpazifischen Insel Bougainville einmal wieder mit größerer internationaler Aufmerksamkeit bedacht, verkündete Bougainvilles Präsident Ishmael Toroama doch, dass sich seine Regierung mit den landbesitzenden Gemeinschaften im Minengebiet auf die Wiedereröffnung der Mine geeinigt habe. Diese Erklärung ließ den Aktienwert von Bougainville Copper Limited (BCL), dem an der australischen Börse gelisteten ehemaligen Betreiber der Mine, über Nacht in die Höhe schnellen. Euphorie und Vorfreude bei Aktionär*innen und bei Bergbaumultis sind allerdings verfrüht.

Liest man die zwischen der Regierung Bougainvilles und den Führer*innen der Gemeinschaften getroffene Vereinbarung genauer und kennt sich ein wenig in der Geschichte Bougainvilles und der Panguna-Mine aus (siehe zuletzt ak 619, 656, 664, 668, 673), so wird klar, dass es sich hier um nicht mehr als einen möglichen ersten Schritt in einem Prozess handelt, der sich noch Jahre hinziehen wird. Von einer Wiedereröffnung der Mine und selbst von konkreten Planungen zur Vorbereitung einer solchen ist man noch sehr weit entfernt.

Aufregung und Begeisterung über die Nachricht passen allerdings in die gegenwärtige erwartungsvolle Stimmung in der Branche, die getragen ist von der Aussicht auf einen kommenden Kupferboom angesichts der allerorten beschworenen globalen Wende hin zu den erneuerbaren Energien. Diese Wende, so wird argumentiert, ist nur möglich bei groß angelegter Erschließung neuer Mineralvorkommen. Neben Lithium, Kobalt, Nickel und Titan gehört hierzu auch Kupfer. Die Panguna-Mine war in den 1970er und 1980er Jahren eine der weltgrößten Kupferminen, und heute soll noch Kupfer im Wert von 75 Milliarden Dollar in Panguna lagern, die Mine könnte geschätzt 24 Jahre lang bis zu 90 Millionen Tonnen Kupfer jährlich produzieren. Das weckt selbstverständlich Begierden in den einschlägigen Kreisen.

Die Mine musste 1989 ihren Betrieb einstellen, weil die landbesitzenden Gemeinschaften aus Protest gegen die minenbedingten Umweltzerstörungen und die ungerechte Verteilung der Einkünfte durch Sabotageakte und Angriffe auf Minen-Infrastruktur einen Weiterbetrieb verhindert hatten. Dies war seinerzeit der Auftakt eines zehnjährigen Bürgerkrieges auf Bougainville, in dessen Verlauf die Mine bereits 1990 von den Rebellen der Bougainville Revolutionary Army (BRA) besetzt wurde. Oberkommandierender der BRA war übrigens der jetzige Bougainville-Präsident Ishmael Torama, dessen Regierung nun die Wiedereröffnung der Mine anpeilt. (1)

Greenwashing: Kupfer für die Energiewende

Diese Geschichte verweist anschaulich auf die Gefahr, die mit der auf Kupfer und Co. basierten energiepolitischen Wende verbunden ist – sie kann zur Katastrophe für die Umwelt und die Menschen werden, die der Ausbeutung der angeblich benötigten Ressourcen im Wege stehen. In ak 676 hat Max Wilbert das am Beispiel der in Nevada geplanten Lithium-Mine im Thacker Pass aufgezeigt. Der in Aussicht gestellte Kupfer-Boom weist in genau diese Richtung.

Kupfer wird für Elektroautos, Batterien, Windräder und Solaranlagen benötigt. Schätzungen zufolge wird der Kupferbedarf 2050 bei 300% über dem heutigen Verbrauch liegen. (2) Ein »Goldenes Zeitalter« für Kupfer wird prognostiziert, mit steigenden Kupferpreisen und exorbitanten Profiten. Die der künftigen Ausbeutung harrenden Kupfervorkommen finden sich zumeist in Gebieten, in denen der Bergbau mit gewaltigen ökologischen, sozialen und technischen Problemen einhergehen wird: auf dem Land indigener Gemeinschaften, in schwer zugänglichen, ökologisch besonders verwundbaren Regionen. Es ist damit zu rechnen, dass der Bergbau – wie seinerzeit im Gebiet der Panguna-Mine – zu schweren Umweltzerstörungen sowie zu Entrechtung, Zerfall und Prekarisierung der lokalen Gemeinschaften führen wird. Wenn irgend möglich, werden sich die Betroffenen – ebenso wie seinerzeit auf Bougainville – zur Wehr setzen.

Die großen Bergbaukonzerne hüllen ihre Gier nach neuen Lagerstätten und Profiten in ein grünes Energiewende-Mäntelchen und präsentieren sich als Mitstreiter im Kampf gegen den Klimawandel. Das lässt sich beispielhaft aufzeigen beim Bergbaumulti Rio Tinto. Rio Tinto war die Muttergesellschaft von BCL und damit hauptverantwortlich für Umweltzerstörung und Bürgerkrieg auf Bougainville (ak 619). Heute will der Konzern in verschiedenen Weltgegenden neue Minen aufmachen: Es geht um Lithium in Serbien (siehe den Beitrag von Tatjana Mladjen auf S. 21) oder Kupfer in Arizona, wo im Gebiet der indigenen Apache eine Mega-Mine (Resolution Copper) entstehen soll, die 25% des US-Kupferbedarfs decken würde. Rio Tinto präsentiert »Resolution Copper«, das Umwelt und heilige Stätten der Apache zerstören würde, als Klimaschutzmaßnahme.

Das passt in die neue »grüne« Argumentationslinie des Bergbaumultis. So erklärt der für Strategie und Entwicklung zuständige Rio-Tinto-Manager: Unsere »Klimawandel-Strategie beginnt mit der Produktion von Materialien, die unbedingt notwendig sind für die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft. Wenn man sich unser Portfolio anschaut – Kupfer, Aluminium, Titanium und Bor (…) das sind alles Materialien, die man braucht, um Solaranlagen, Windturbinen und Batterien zu bauen – und die sind alle höchst bedeutend für die globale Klima-Umstellung«. (3) Jacob Stausholm, Rio Tintos neuer Oberboss (Chief Executive) beklagt, dass bisher zu wenig getan wurde bei der Bekämpfung des Klimawandels, dass Rio Tinto »Teil der Lösung« des Problems sein will und »mit Dringlichkeit« auf erneuerbare Energien umstellen wolle; gleichzeitig beschwört er die »einmaligen Wachstumschancen«, die mit der Energiewende verbunden seien: »die Nachfrage nach unseren Gütern wird steigen«, insbesondere auch nach Kupfer. Denn »in einer kohlenstoffarmen Zukunft werden wir mehr und größere Batterien brauchen«. Folglich müssen neue Minen her, wie Sinead Kaufman, verantwortlich bei Rio Tinto für die Erforschung neuer Lagerstätten, erklärt: Die »einfachen« Lagerstätten seien bereits alle gefunden, deswegen müssten sie sich aufmachen in »einige der abgelegensten und ökologisch unberührtesten Gegenden der Welt, wo Mutter Natur ihre Mineralien versteckt … Wir müssen bis an das Ende der Erde gehen, um die nächste Generation von Mineralien zu entdecken, vor dem Hintergrund des Klimawandels und des stetig wachsenden Bedarfs auf unserem verletzlichen Planeten«, und dazu brauche es echten »Pioniergeist«. Was wohl Zuversicht und Aufbruchsstimmung vermitteln soll, muss bei den Menschen in ressourcenreichen Regionen des Globalen Südens als existenzielle Drohung ankommen.

Es steht zu befürchten, dass die geplante Wiedereröffnung der Panguna-Mine ebenfalls mit dem Kampf gegen den Klimawandel begründet wird. Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Menschen im Minengebiet.

Es steht zu befürchten, dass die geplante Wiedereröffnung der Panguna-Mine ebenfalls mit dem Kampf gegen den Klimawandel begründet wird. Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Menschen im Minengebiet, die noch heute – 30 Jahre nach Einstellung des Minenbetriebs – an den von der Mine verursachten Umweltschäden und gesundheitlichen Folgen leiden. Ihnen soll neues Elend zugemutet werden, damit im Globalen Norden künftig Elektroautos die Straßen verstopfen.

Klimawandel lässt sich nicht wirksam bekämpfen ohne fundamentalen Wandel des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems und seinem immanenten Zwang zu Profitmaximierung und Extraktivismus. Eine Energiewende, welche mehr Kupfer und Lithium erfordert, wird zu neuen Formen von Umweltzerstörung, Ausbeutung von Mensch und Natur und in der Folge neuer Gewalt führen. Statt den Klimawandel zur Legitimierung neuer Kupferminen zu benutzen, sollte es heißen: Das Kupfer muss im Boden bleiben.

Volker Böge

ist Historiker. Er lebt in Brisbane.

Anmerkungen:

1) Begründet wird das Bestreben zur Wiedereröffnung der Mine von der Bougainville-Regierung damit, dass ein künftiger unabhängiger Staat Bougainville auf die Einkünfte aus der Mine angewiesen sein wird, um seine Eigenständigkeit finanziell abzusichern.

2) Valenta et al., 2019, Re-thinking complex orebodies: Consequences for the future world supply of copper, Journal of Cleaner Production.

3) Rio Tintos Website, www.riotinto.com, ist voll von Geschichten, die die Erfolge und Pläne des Unternehmens in Sachen Energiewende preisen.