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Panik bei den Start-ups

Wer zahlt für die Pleite der Silicon Valley Bank?

Von Stephan Kaufmann

Da war die Stimmung noch gut: Vertreter*innen von Start-ups aus dem Silicon Valley tauschten sich im vergangenen Jahr über ihre Geschäftsmodelle aus. Foto: TechCrunch/Flickr, CC BY 2.0

An den Finanzmärkten herrscht wieder Krisenstimmung. Die USA erleben mit der staatlichen Übernahme der Silicon Valley Bank (SVB) die zweitgrößte Bankpleite ihrer jüngeren Geschichte. Zwar wird allgemein versichert, es handele sich bei der SVB um einen Sonderfall. Gleichzeitig machen aber die allgemeine Unruhe und vor allem die Turbulenzen bei der Schweizer Credit Suisse deutlich, dass die SVB eben kein Einzelfall ist. 

Der Absturz der Bank steht am Ende einer langen Kette von Spekulationen. Diese Kette beginnt mit der Krise: In den Jahren nach dem Crash von 2008 und insbesondere in der Corona-Krise kaufte die US-Zentralbank massenhaft US-Staatsanleihen auf, um deren Preise in die Höhe zu treiben und die Zinsen zu senken. Über niedrige Zinsen sollten US-Schuldner*innen solvent gehalten und durch die Krise gebracht werden. 

Anleger*innen legten ihr Geld teilweise in Hightech-Start-ups an – in junge, verlustreiche, schnell wachsende Unternehmen.

Angesichts der niedrigen Zinsen flossen Unsummen an Anlagegeldern in riskantere Investments auf der Suche nach höheren Renditen. Risikokapitalfonds verzeichneten Milliardenzuflüsse. Sie legten ihr Geld teilweise in Hightech-Start-ups des Silicon Valley an – in junge, verlustreiche, schnell wachsende Unternehmen. Ihre zufließenden Spekulationsmilliarden parkten die Start-ups vorzugsweise bei der SVB. Deren Einlagen vervierfachten sich zwischen 2017 und 2021. Mit einem Großteil der Einlagen kaufte die SVB die sicherste Geldanlage der Welt: US-Staatsanleihen, die allerdings zu diesem Zeitpunkt sehr teuer waren und kaum Rendite brachten. Als im Zuge der hohen Inflation die Zinsen stiegen, entwerteten sich die niedrig verzinsten US-Staatsanleihen im Besitz der SVB. Denn ein Wertpapier, das geringe Rendite bringt, ist umso weniger wert, je mehr Zinsen im Vergleich andere Wertpapiere bringen.

Als die Verluste der SVB publik wurden, reagierten die Kund*innen der Bank – die Start-up-Unternehmen – mit dem Abzug ihrer Einlagen. Ihre Nervosität war verständlich. Denn hohe Inflation und drohende Rezession hatten bereits 2022 zu einem »Tech-Crash« an den Börsen geführt. Die Risikokapitalgeber*innen pumpten kein Geld mehr ins Silicon Valley. Der Geldstrom, aus dem die Start-ups ihre Milliardenverluste finanzieren, trocknete aus. Als dann ihre Bank, die SVB, in Turbulenzen geriet, plünderten sie eilig ihre Konten. Daher übernahmen die US-Behörden am 10. März die SVB. Sie garantieren für sämtliche Einlagen der Bank und sorgen so dafür, dass die Spekulation an den Märkten weitergehen kann. Denn an ihr hängt auch die sogenannte Realwirtschaft.

Wer zahlt für die SVB-Pleite? Das Management verliert seine Jobs, die Aktionär*innen ihr Aktienvermögen und die Beschäftigten werden entlassen – nicht nur bei der SVB. Über die ganze US-Technologiebranche hinweg rollt seit Monaten eine Entlassungswelle: Mit der Kürzung von Personalausgaben machen die Unternehmen die Beschäftigten dafür haftbar, dass die Spekulation auf Amerikas Technologieführerschaft wieder aufgeht.

Stephan Kaufmann

ist Wirtschaftsredakteur und Buchautor.