Unterschiedliche Mittel, gleiches Ziel
Aserbaidschan hat den heißen Krieg gegen Bergkarabach in eine lebensdrohliche Blockade verwandelt
Seit dem 12. Dezember blockiert Aserbaidschan die einzige Zufahrtsstraße in die Republik Arzach, wie Bergkarabach auch genannt wird. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte sich die Bevölkerung dort in einem Krieg gegen Aserbaidschan befreit und will seitdem unabhängig sein. Die Mehrheit der Bevölkerung ist armenisch. Die Zufahrt heißt Lachin-Korridor, über ihn werden die 120.000 in Arzach lebenden Armenier*innen mit dem Nötigsten versorgt. Durch die Blockade sind Lebensmittel und Medikamente knapp und werden mittlerweile rationiert.
Die Blockade ist die Fortsetzung eines Krieges mit anderen Mitteln. Im Herbst 2020 überfiel Aserbaidschan mit Unterstützung der Türkei das Gebiet, um es zu annektieren. Dieser Krieg endete mit einer Niederlage Armeniens, das aufseiten Arzachs kämpfte und ließ die Republik auf ein schmales Territorium schmelzen, das seither von etwa 2.000 russischen Soldaten gesichert werden soll und über die Republik Armenien versorgt wurde.
Die Waffenstillstandsvereinbarung garantierte die Versorgung über den Korridor, den man in Arzach auch »Straße des Lebens« nennt. Die Blockade wird vom aserbaidschanischen Staatsapparat organisiert, sodass hochrangige Militärs und der Geheimdienst mit türkischer Unterstützung dafür verantwortlich sind. Viele von ihnen machen dabei das Zeichen der Grauen Wölfe und zeigen damit, welche nationalistische Ideologie sie teilen.
Es droht eine humanitäre Katastrophe, da eine Versorgung über den Flughafen der Hauptstadt von Arzach, Stepanakert, zu gefährlich ist: Aserbaidschan hat bereits gedroht, jegliche Flugobjekte im dortigen Luftraum abzuschießen. Zwar riefen die USA, Russland, Frankreich und zuletzt auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zur Beendigung der Blockade auf, geändert hat sich die Lage dadurch aber nicht.
Der aserbaidschanische Diktator Ilham Aliyev sieht das Gebiet als Teil seines Staatsgebietes. Er will in dieser Phase des Krieges mit allen Mitteln das Leben der dortigen Armenier*innen unmöglich machen. Regelmäßig kappt das aserbaidschanische Militär die Gas- und Stromleitungen, die aus der Republik Armenien in die Region führen.
Mit diesen rabiaten Mitteln sollen die Menschen genötigt werden, mehr oder weniger freiwillig ihre Heimat zu verlassen und auszuwandern. Sollte dieser Plan nicht aufgehen, kann es durchaus sein, dass Baku mit Unterstützung von Ankara eine neue militärische Offensive beginnen wird. Die Stationierung von russischen Truppen, die eigentlich den Korridor gewährleisten sollen, ist bis 2025 befristet. Außerdem müssten Armenien und Aserbaidschan ihr Einverständnis zur etwaigen Verlängerung geben. Während Jerewan dies begrüßen würde, versuchen Aliyev und vor allem Erdogan den Einfluss Russlands im Südkaukasus zurückzudrängen.
Ein Bergkarabach ohne Armenier*innen: Das ist das gemeinsame Staatsziel der beiden Regierungen in der Türkei und Aserbaidschan.
Ein Bergkarabach ohne Armenier*innen: Das ist das gemeinsame Staatsziel der beiden Regierungen in der Türkei und Aserbaidschan, die unter dem Motto »zwei Staaten, eine Nation« handeln. Für türkische Nationalist*innen ist der Hass auf Armenier*innen wichtiger Teil ihrer Identität und erfuhr im Genozid an ihnen während des Ersten Weltkriegs einen Höhepunkt. Heute ist es nicht nur die pantürkische Ideologie, die die Regierungen beider Länder teilen. Aserbaidschan und die Türkei haben auch eine militärische Kooperation. Das bedeutet nicht nur, dass sie bis 2025 eine gemeinsame Armee aufbauen wollen und bereits heute ihre Kommandostrukturen durchmischen, sondern auch eine territoriale Verbindung zueinander aufbauen könnten. Mit dem sogenannten Zangezur-Korridor sollen die beiden Staaten über die südarmenische Provinz Syunik verbunden werden, notfalls auch mit Gewalt.
Mit der Offensive im September hat Aserbaidschan nun gezeigt, dass die militärische Option in der Frage um Arzach immer im Raum steht und mit dem Angriff konnte Baku durch die Besetzung armenischen Gebietes seine strategische Ausgangsposition verbessern. Für die Menschen in Arzach ist die Ausgangslage in dem Konflikt also weiterhin schlecht. Aber selbst wenn die Blockade zu einem heißen Krieg eskaliert, wird die drohende Vertreibung der Armenier*innen auf Widerstand stoßen.