Antisemitismus-Resolution: Eine verpasste Chance
Von Pajam Masoumi
Kurz nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 begannen die Verhandlungen um die Resolution »Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken«. In einem intransparenten Vorgang stimmten sich die Fraktionsspitzen aus SPD, FDP, CDU und Grünen darüber ab, wie sich jüdisches Leben in Deutschland am besten schützen lasse. Etwas über ein Jahr später, nach vielen Diskussionen, ist das Ergebnis, wie so oft: Ausländer raus, und schuld sind die Linken.
Bereits der vorab geleakte Entwurf der Resolution, die der Bundestag am 7. November mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP, CDU und AfD beschloss (das BSW stimmte dagegen, Die Linke enthielt sich, dazu unten mehr), sorgte für Aufregung: Jurist*innen zweifelten an der Verfassungsmäßigkeit, Wissenschaftler*innen warnten vor der Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, Künstler*innen und Kulturinstitutionen in Deutschland klagten, die Resolution könne ihre internationale Arbeit erschweren, israelische Menschenrechtsinitiativen und NGOs kritisierten wiederum, dass ihre Arbeit nicht mehr durch die Bundesregierung gefördert werden könne. Auch von links kam einiges an Kritik: Die Resolution setze auf Repression gegen palästinasolidarische Menschen und beziehe sich auf eine moralische Verteidigung Israels. Die umstrittene IHRA-Definition, die in der Resolution angeraten wird, vermische Kritik an israelischer Politik und Antisemitismus, was wiederum dazu führe, dass rechte, christliche Deutsche linken, jüdischen Israelis Antisemitismus vorwerfen können, um deren unliebsame Positionen mundtot zu machen.
Dass die Sorge begründet ist, beweisen die Kampagnen der letzten Monate des Springer-Verlags oder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Aber auch die Beispiele, die die Resolution nennt, um den Anstieg des Antisemitismus zu dokumentieren, lassen aufhorchen: Der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019, der zwei Todesopfer forderte, wird nicht erwähnt, antisemitische Zeichnungen auf der Documenta finden jedoch ihren Platz.
Die Kritik an der Resolution verhallte. Statt zumindest die Ideen eines vor Verabschiedung der Resolution von Ralf Michaels, Jerzy Montag, Armin Nassehi, Andreas Paulus, Miriam Rürup und Paula-I. Villa Braslavsky vorgelegten Gegenentwurfs aufzugreifen, wurde der Ansatz der Repression beibehalten, obwohl dieser offensichtlich ins Leere läuft. Zwar werden sowohl völkisch-rechter als auch links-antiimperialistischer Antisemitismus erwähnt. Der Antisemitismus, der heute zu bekämpfen sei, basiere jedoch auf »Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens«. Konsequenzen soll es vor allem förderrechtlich als auch durch das Asylrecht geben, auch hier wird deutlich, wer adressiert ist. Und auch Verbote fordert die Resolution: Die BDS-Kampagne gilt in Deutschland als Brutstätte des »postkolonialen Antisemitismus« und soll daher verfolgbarer gemacht werden.
So weit, so düster. Befürworter*innen der Resolution betonen, Kritik am israelischen Staat sei durch die Resolution keineswegs gedeckelt, stattdessen sollten Gesetzeslücken geschlossen werden, um wirklich jeden Antisemitismus verfolgen zu können. Außerdem sei die Resolution ohnehin nicht rechtlich bindend, es sei nur ein symbolischer Akt. Doch das stimmt nicht ganz: Auch die vom Bundestag beschlossene »BDS-Resolution«, die besagte, dass BDS-Veranstaltungen nicht durch staatliche Fördergelder finanziert werden sowie ihnen keine städtischen Räume zur Verfügung gestellt werden sollen, war kein Gesetz. In der Praxis führte sie aber zu diversen Ausladungen, Veranstaltungsabsagen und einer massiven Polarisierung des Diskurses.
Die einzige Partei, die bei der Abstimmung zur Resolution mit Nein stimmte, war ausgerechnet das Bündnis Sahra Wagenknecht. Im Vorfeld der Abstimmung schrieben SPD-Mitglieder einen offenen Brief an ihre Parteispitze, in welchem sie die Resolution aus den genannten Gründen kritisierten, zugestimmt wurde dann aber doch. So auch bei FDP, CDU und Grünen, damit war die Resolution beschlossen. Auch die AfD stimmte einstimmig zu. Und die Partei Die Linke? Nachdem ihre beiden Änderungsanträge abgelehnt wurden, enthielt sich die Partei. Wieder einmal hat Die Linke eine Chance vertan, offensiv in die Opposition zu gehen und eine Resolution zu fordern, die Juden*Jüdinnen tatsächlich schützt. Nicht mal eine Begründung ließ die Partei verlauten.
So wundert es dann auch nicht, dass die Personifizierung der Kontinuitäten des Faschismus im deutschen Parlament, Beatrix von Storch, am Verabschiedungstag der Resolution am Redner*innenpult des Bundestags frohlockte, die Resolution übernehme Positionen des AfD-Programms. Recht hat sie.