Sollte das Klimageld kommen?
Von Guido Speckmann
Die Ampelkoalition begeht derzeit denselben Fehler wie beim Gebäudeenergiegesetz, umgangssprachlich Heizungsgesetz genannt: Eine klimapolitische Maßnahme wird nicht sozialpolitisch begleitet – und damit die Klimapolitik insgesamt in Misskredit gebracht. Aktuelles Beispiel ist die Erhöhung des Preises für eine Tonne emittiertes CO2 von 30 auf 45 Euro zu Beginn des Jahres. Im vergangenen Jahr war die Erhöhung wegen der hohen Inflation als Entlastungsmaßnahme ausgesetzt worden; wegen des Haushaltsurteils hat die Regierung den Preis nun schneller als ursprünglich geplant angehoben. Die Steuern werden zwar zunächst bei Ölfirmen, Strom- und Industriekonzernen fällig, doch diese geben diese über höhere Preise an die Verbraucher*innen weiter. Laut ADAC verteuert der gestiegene CO2-Preis Benzin pro Liter um vier Cent, die Rechnung für die Gasheizung könnte rund fünf Euro pro Monat steigen.
Gutverdienende können sich das aus der Portokasse leisten, für Geringverdienende, Aufstockende und Alleinerziehende ist das ein großes Problem. Und die Populist*innen von der AfD nehmen diesen Umstand als willkommene Steilvorlage, um die Sinnhaftigkeit von Klimaschutz generell in Zweifel zu ziehen.
Zwar hat die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag von 2021 geschrieben: »Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld).« Doch von diesem ist bis dato nichts in Sicht. Im Spätsommer hatte das vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner geführte Finanzministerium angekündigt, dass technische Auszahlungsmöglichkeiten geschaffen würden, aber erst 2025 einsetzbar sind. Das dürfte allerdings eine Ausflucht sein, die den fehlenden politischen Willen dokumentiert, so die Kritik von Umweltschutzorganisationen, Sozialverbänden und Gewerkschaften wie der IG Bau. Sie machen derzeit mit Appellen Druck auf die Regierung, das Klimageld schnell einzuführen.
Laut Berechnungen der Verbraucherzentrale stünden den Bürger*innen für die Jahre 2021 bis 2023 pro Kopf 139 Euro zu. Denn von 2021 bis 2023 hat die Regierung über elf Milliarden Euro durch die CO2-Bepreisung eingenommen. Schätzungen zufolge könnte sich das Klimageld mit steigender CO2-Bepreisung bis 2027 auf rund 250 Euro pro Kopf verdoppeln. Die Fürsprecher*innen von CO2-Bepreisung und Pro-Kopf-Klimageld erhoffen sich von diesen Instrumenten sowohl eine ökologische Lenkungswirkung als auch einen sozialen Ausgleich.
Laut Berechnungen der Verbraucherzentrale stehen den Bürger*innen für die Jahre 2021 bis 2023 pro Kopf 139 Euro zu.
Aber stimmt das? Sollte das Klimageld pro Kopf ausgezahlt werden (in der wissenschaftlichen Diskussion kursieren noch zahlreichere andere Modelle), so hätte dies tatsächlich einen egalitären Effekt. Denn reiche Haushalte verbrauchen viel mehr Energie als arme, zahlen also über den höheren CO2-Preis auch mehr an den Staat. Ärmere Haushalte mit geringem Energieverbrauch zahlen weniger Energieabgaben, haben daher bei einer gleichmäßigen Rückzahlung an die Bürger*innen unter dem Strich mehr Geld.
Denken diese dann aber nicht, warum Energie sparen, die zwar teurer wird, mir aber in Form des Klimageldes kompensiert wird? Auszuschließen ist das nicht. Wie stark die ökologische Lenkungswirkung ausgehebelt wird, hängt auch davon ab, ob Autofahrer*innen durch den Ausbau des ÖPNV eine Alternative haben. Die Befürworter*innen des Klimagelds argumentieren zudem, dass es auf die konkrete Ausgestaltung – eine monatliche Auszahlung sei besser als eine jährliche –, eine begleitende Infokampagne und auch auf den Namen ankäme.
Das klingt kompliziert. Und insofern werden mit CO2-Bepreisung und der Diskussion um das Klimageld die Aporien marktwirtschaftlicher Klimaschutzinstrumente offenbar. Sie sind nicht mehr als ein Herummurksen mit Symbolcharakter. Sollte die CO2-Bepreisung tatsächlich die Kosten der Klimazerstörung angemessen widerspiegeln, müsste der Preis laut Umweltbundesamt um ein Vielfaches höher liegen: nämlich bei 237 Euro pro emittierter Tonne CO2. Anstatt auf marktkonforme komplizierte Regularien zu setzen, wäre es besser, dort anzusetzen, wo das Problem entsteht: in der Produktion. Dort wären ordnungspolitische Vorschriften und Verbote weit wirksamer.
Allerdings heißt das nicht, dass Linke sich in der jetzigen Situation nicht für das versprochene Klimageld einsetzen sollten. Es stellt zumindest einen gewissen sozialen Ausgleich dar – und vor allem: Es beugt einer völligen Diskreditierung von Klimaschutz vor, weil Klimaschutz andernfalls die soziale Ungleichheit verschärfen würde.