Vor einem neuen Krieg
Das Abkommen zwischen Israel und der Hamas schafft keinen nachhaltigen Frieden
Von Pajam Masoumi und Johannes Tesfai

Eigentlich lagen die Pläne schon seit Mai 2024 in der Schublade, der neuen Vereinbarung zu einer Waffenruhe und einem Geiseldeal zwischen Israel und der Hamas ist nur ein neuer Anhang beigefügt. In den ersten 42 Tagen soll sich die israelische Armee aus bestimmten Teilen des Gazastreifens zurückziehen, Palästinenser*innen dürfen sich wieder frei im Gazastreifen bewegen, israelische Geiseln und palästinensische Gefangene sollen ausgetauscht, dringend benötigte Hilfsgüter in den Küstenstreifen gebracht werden. Darauf folgt eine zweite Phase, in deren Verlauf die israelische Armee komplett aus dem Gazastreifen abziehen soll. Offenbar sollen die Verhältnisse vor dem 7. Oktober 2023 wieder hergestellt werden. Eine politische Lösung scheint nicht in Sicht.
Ob Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu weiter an dem ausgehandelten Friedensplan festhält, nachdem auch die letzte Geisel von der Hamas freigelassen ist, ist fraglich.
Aber selbst dieser Frieden steht auf tönernen Füßen. Die Opposition der beiden rechtsextremen Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich und ihr Nein zu der Vereinbarung im Kriegskabinett repräsentieren den rechten Teil der israelischen Gesellschaft, die den Krieg weiterführen will. Ob Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu weiter an dem ausgehandelten Friedensplan festhält, nachdem auch die letzte Geisel von der Hamas freigelassen ist, ist deshalb fraglich.
Kein Ende der Gewalt?
Vielmehr schien der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump hinter den Kulissen Druck auf die israelische Regierung gemacht zu haben. Gerüchten zufolge soll Trump Netanjahu im Gegenzug freie Hand beim Ausbau der israelischen Siedlungen im Westjordanland gegeben haben. Abwegig ist das nicht: Als Antwort auf den Geiseldeal sagte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz, er werde Siedler*innen, die sich aufgrund von Gewalttaten gegen Palästinenser*innen in Administrativhaft befänden, freilassen. Für ihn sei das eine »klare Botschaft zur Stärkung und Ermutigung der Siedlungen«. Bereits vor dem 7. Oktober 2023 erlebten die Bewohner*innen des Westjordanlands mehr und mehr Siedler*innengewalt und tödliche Armeeeinsätze. Viele Beobachter*innen gingen damals von einer Eskalation im Westjordanland, nicht im Gazastreifen durch die Hamas aus.
Auf palästinensischer Seite stehen die Zeichen ebenfalls nicht zwingend auf Frieden. US-Außenminister Antony Blinken ließ sich letzte Woche mit dem Satz zitieren, dass die Hamas so viele neue Kämpfer rekrutiert hätte, wie sie durch den Krieg verloren habe. Die Zukunft wird zudem zeigen, wie der Krieg die politische Stimmung in Gaza verändert hat. Dort hat die harte Kriegsführung der israelischen Armee eine neue Generation extrem traumatisierter Menschen produziert. Ob diese Kriegskinder einen Ausweg aus dem Kreislauf der Gewalt nehmen wollen und können oder eine neue, radikalere Hamas auf den Plan tritt, wird sich zeigen.