Vergessene Massaker im Iran
Aufgeblättert: »Voices of a Massacre« von Nasser Mohajer
In diesem Band werden unterschiedliche Stimmen gesammelt, die gegen das Vergessen von blutigen Massakern in iranischen Gefängnissen 1988 anschreiben. Bereits von 1981 bis 1983 gab es Massenhinrichtungen in den Gefängnissen der Islamischen Republik. Geschätzt 5.000 bis 10.000 politische Gefangene wurden zwischen 1981 und 1988 ohne Anwälte erneut angehört und bei kleinsten falschen Antworten exekutiert. Das ganze Land wurde von Oppositionellen »gesäubert«. Die beiden zentralen Organisationen, die ausgelöscht werden sollten, waren die muslimischen Volksmudschahedin und die guevaristisch-maoistisch inspirierten Volksfedajin-Guerillas. Der Band sammelt größtenteils aus dem Farsi ins Englische übersetzte Berichte von Überlebenden der Massaker und ihren Angehörigen. Zum Beispiel zeigt ein Brief von Stefan Parvis Töpelmann, der 1988 in der Zeitung Die Weltbühne veröffentlicht wurde, wie der Kampf der Angehörigen auch in Deutschland verhandelt wurde: Sein Vater Ahmad Danesh, Mitglied des Zentralkomitees der Sowjetunion-nahen Tudeh-Partei, wurde 1988 exekutiert. Bildliche Schilderungen voller Kampfgeist und Emotionen wechseln sich mit politischen Analysen ab, wie die zum 2012 in den Niederlanden durchgeführten Iran-Tribunal von Shokoufeh Sakhi. Abschließend legen Mojdeh Arasi und Homayoon Ivani eine klassenpolitisch saubere Kritik an den Zielen diverser Kritiker*innen der Islamischen Republik sowie ihrer falschen »antiimperialistischen Freunde« offen. Eine einzigartige und besonders lesenswerte Lektüre!
Nasser Mohajer (Hg.): Voices of a Massacre. Untold Stories of Life and Death in Iran, 1988. Oneworld Publications, London 2020, 450 Seiten, 28,99 EUR.