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Urfaschismus

Aufgeblättert: Umberto Ecos »Der ewige Faschismus«

Von Jens Renner

Es war vor allem die faschistische Rhetorik, die Umberto Eco vor 25 Jahren zu seinem Vortrag über den »ewigen Faschismus« inspirierte. Am 25. April 1995, dem 50. Jahrestag der Befreiung, sprach er darüber auf einem Symposium in New York. Im Jahr eins nach Berlusconis triumphalem Wahlsieg im Bündnis mit den Neofaschist*innen und der Lega Nord machte er deutlich, dass der Faschismus »schwerlich in derselben Form wiederkehren« werde. »Aber das faschistische Spiel lässt sich auf vielerlei Weise spielen«, sagte er.

Einige der von ihm genannten 14 Merkmale, »die typisch für das sind, was ich den ewigen oder Ur-Faschismus nennen möchte«, scheinen den heutigen Protagonist*innen abgelauscht zu sein. Dazu gehören die »Angst vor dem Andersartigen«, der »Appell an die frustrierten Mittelklassen«, die »Verachtung der Schwachen«, die »Ablehnung und Verurteilung aller nicht zum Standard gehörigen Sexualgewohnheiten«, »verarmtes Vokabular« und »versimpelte Syntax«, die Verurteilung des Pazifismus als »Kollaboration mit dem Feind« – und nicht zuletzt die »Obsession einer Verschwörung«, die sowohl von innen als auch von außen kommt.

Die deutsche Neuauflage seines »Klassikers« wurde um vier Texte ergänzt, darunter »Die Migrationen des dritten Jahrtausends«. Im Vorwort arbeitet Roberto Saviano die Aktualität von Ecos Überlegungen heraus. Weniger überzeugend ist Savianos Appell, die rechte Gefahr »mit der Macht der Intelligenz zu demontieren«. Das allein wird nicht reichen.

Umberto Eco: Der ewige Faschismus. Mit einem Vorwort von Roberto Saviano. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Carl Hanser Verlag, München 2020. 80 Seiten, 10 EUR.