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Trump hat »White Lotus« kaputt gemacht

Warum eine der schönsten Reichenhass-Fernsehserien langweilig geworden ist

Von Matthias Merkur

Eine junge Frau macht Yoga
Sucht Lebenssinn und die Gelegenheit, einen buddhistischen Mönch zu interviewen: Piper Ratliff (Sarah Catherine Hook) in der dritten Staffel der HBO-Serie »White Lotus«. Foto: © Home Box Office, Inc. All rights reserved

Es bahnt sich mal wieder Unheil an. Ein Luxus-Urlaubsressort; gestresste, gelangweilte oder anderweitig geplagte Gäste und ein Mord, der sich im Lauf der Serie im Rückblick enthüllt – das ist das Rezept der HBO-Serie »White Lotus«, deren dritte Staffel nun angelaufen ist. Mit einer im Corona-Lockdown auf Hawaii produzierten ersten Staffel als Geheimtipp gestartet, hat die Serie schnell eine enthusiastische Fanbase gewonnen. Wer gern in die Abgründe reicher Lebenswelten schaut – Beziehungen, die vor allem von Geld zusammengehalten werden, hoher sozialer Druck in einem missgünstigen Umfeld, Statusängste, Eifersucht, Sinnsuche und viel innere Leere, ausgelebt auf dem Rücken von sich verzweifelt abstrampelnden Angestellten, das alles in atemberaubender Kulisse –, kam bei »White Lotus« auf seine Kosten. Dazu ein mitreißender Soundtrack, so konnte man dem dingelnddängelnd auf die Klippe zusteuernden Narrenschiff der Gutbetuchten mit viel Genuss zuschauen.

Schadenfreude ist eine wichtige Zutat bei »White Lotus«, wie auch bei vielen anderen Filmen oder Serien der letzten Jahre, in denen Protagonist*innen aus der Oberklasse lächerlich gemacht werden oder schlimme Schicksalsschläge erleiden und die inzwischen als Eat-The-Rich-Trend diskutiert werden. »White Lotus« gehört mit seinen vielschichtigen Figuren und gut beobachteten Machtdynamiken zu den interessanteren Produktionen des Genres.

In der zweiten Staffel (Achtung, Spoiler für Staffel zwei) verpflanzte Serienmacher Mike White das Rezept nach Sizilien, justierte ein wenig beim Gäste-Mix nach, mischte etwas mehr Sex ins Drehbuch und präsentierte wieder denkwürdige Folgen, die ich mir sicher nochmal ansehen werde – auch wenn mir nicht gefallen hat, wie herzlos Serienstar Jennifer Coolidge aka Tanya McQoid am Ende ins Jenseits befördert wird.

Die neue, dritte Staffel weicht vom Konzept nicht ab. Das White-Lotus-Ressort liegt diesmal in Thailand, die Anlage ist auf Wellness und Digital Detox spezialisiert, wieder gibt es jede Menge Aufnahmen wie von der Tourismusbehörde beauftragt, wieder lernen wir eine dysfunktionale begüterte Familie am Rande des Nervenzusammenbruchs kennen, ungleiche Paare, unterschiedlich erfolgreiche Freundinnen – und fleißige Angestellte, zwischen denen sich zaghafte Flirts entwickeln, während sie die Launen der Gäste zu navigieren versuchen.

Fans sind nach den ersten drei Folgen großteils zufrieden. Manche wundern sich, dass Staffel drei auf die einprägsame Titelmelodie verzichtet; auch der Umstand, dass Walton Goggins, der einen depressiven, schlecht gealterten Aussteiger mit fettigem Haar und Halbglatze spielt, überraschenderweise… hot ist, sorgt für Diskussionen im Netz und könnte uns nach den Hot Rodent Men den nächsten Sexy-Trend bescheren: Ugly Hot Men. Ansonsten hat sich so wenig verändert, dass sich fast heimelige Gefühle einstellen. Ja, Regisseur White lässt sich etwas mehr Zeit, bis der Boden unter den Füßen der Protagonist*innen zusammenkracht, aber sonst: viel Spaß beim nächsten Meltdown der Möchtegern-Elite.

Nur, hier kommt das Problem: Genau beim Spaß hakt es. Der Funke will nicht überspringen, und das liegt nicht daran, dass die Serie schlechter geworden wäre. Dass der Genuss nicht derselbe ist, hat äußere Gründe. Das Reichensegment, das in »White Lotus« aufs Korn genommen wird, ist einfach nicht mehr ganz so relevant: Die, nennen wir sie: liberalen Reichen, die die Leere ihrer Glaubenssätze vorgeführt bekommen, sind seit einigen Monaten politisch abgemeldet. Jetzt sind die faschismusfreundlichen Überreichen am Drücker. Sie machen die Regeln und gehen daran, die Welt, in der die White-Lotus-Nervensägen Urlaub machen, zu zerschlagen und neu zusammenzusetzen. Nein, die Demontage verwöhnter aufgeklärt-liberaler Yuppies ist nicht die Sehnsucht unserer Tage. Ihr Straucheln juckt nur noch wenig. Wir wollen den Trump-Musk-Mileis und ihren Fascho-Freunden beim Fall zusehen!

Matthias Merkur

lebt in Berlin und meint, die Zukunft der Linken steht in den Sternen.

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