Sozialrebell
Aufgeblättert: »Ein normales Leben« von Vassilis Paleokostas
Von Gabriel Kuhn
Sollte Eric Hobsbawms Buch »Die Banditen. Räuber als Sozialrebellen« je eine aktualisierte Neuauflage erfahren, müsste ein Kapitel Vassilis Paleokostas gewidmet werden. Paleokostas, ein Kind der Berge Nordgriechenlands, entschied sich früh gegen eine Laufbahn als ausgebeutete Arbeitskraft und verbrachte stattdessen den größten Teil seines Lebens in der Illegalität – ein »Verbrecher« mit sozialem Bewusstsein, der nicht zuletzt aufgrund spektakulärer Gefängnisausbrüche zu einer lebenden Legende wurde und sich in weiten Teilen der griechischen Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut.
Seine 2020 erschienene Autobiografie wurde zu einem Bestseller. Nun liegt sie unter dem Titel »Ein normales Leben« beim Wiener Verlag bahoe books auch auf Deutsch vor. Paleokostas erzählt mitreißend, manchmal auch etwas lyrisch, von seinen Abenteuern, die Kapital tragen Überschriften wie »Ausbruch aus dem Gefängnis von Chalkida«, »Verfolgungsjagd zwischen Kalambaka und Ioannina« und »Kampf und Flucht im Hafen von Patras«.
Das Buch lässt sich parallel zu der 2019 bei bahoe books in deutscher Übersetzung erschienenen Autobiografie von Dimitris Koufontinas lesen, einem langjährigen Mitglied der Revolutionären Bewegung 17. November. Sozialbanditentum auf der einen Seite, revolutionäre Organisierung auf der anderen. Gemeinsam ergibt das einen Rahmen, der den Widerstand gegen die herrschende Klasse Griechenlands in all seinen Facetten einfängt. Die Lektüre lohnt sich weit über die Grenzen des Landes hinaus.
Vassilis Paleokostas: Ein normales Leben. bahoe books, Wien 2022. 356 Seiten, 19 EUR.