Sie kämpfen, also sind sie
Der Film »Niemals allein, immer zusammen« ist ein warmherziges Plädoyer dafür, politische Einsamkeit zu überwinden
Von İnci Arslan
Hoffnung fühlt sich gerade an wie ein leeres Wort«, rappt Ebow in ihrem neuen Track »Free«, und das dürfte so einigen Aktivist*innen aus dem Herzen sprechen. Gerade erst wieder, nach den Wahlen am 9. Juni, war die Verzweiflung vieler Linker einmal mehr zu spüren, aber auch der Trotz: Jetzt erst recht, hieß es beispielsweise in den Sozialen Medien vielfach, und dass man sich unbedingt, verdammt noch mal organisieren müsse. Wie immer, wenn solche Appelle durch das Internet schwappen, schwingt auch etwas Hilflosigkeit mit. Denn klar, es stimmt zwar, aber was genau heißt das eigentlich, sich zu organisieren – mit wem, wofür und wie?
Ein paar Antworten auf diese essenziellen Fragen lassen sich in dem Mitte Juni angelaufenen Dokumentarfilm »Niemals allein, immer zusammen« von Regisseurin Joana Georgi finden. Er zeigt das Kriegs- und Inflationsjahr 2022 aus Sicht von fünf jungen Berliner*innen, die in unterschiedlichen sozialen Bewegungen – in migrantischen Selbstorganisationen, der Krankenhausbewegung, bei Fridays for Future und Deutsche Wohnen und Co. enteignen – aktiv sind.
Der Kinostart hätte zeitlich besser nicht passen können: Denn der immer raumgreifenderen politischen Hoffnungslosigkeit, der linken Vereinsamung setzt der Film etwas entgegen, in dem er das hohe Gut der solidarischen Gemeinschaftlichkeit feiert. Das ist, was überspringt, und das ist auch, was den Dreh überhaupt erst motiviert hat: Die Idee sei während der Pandemie, zwischen zwei Lockdowns, entstanden, als es ihr und ihrem Umfeld nicht gut ging, sagt Joana Georgi gegenüber ak. Sie habe in dieser Zeit viele Gespräche darüber geführt, wie Linke aus der Defensive kommen können, darüber, was Hoffnung geben kann. Zudem habe sie zu dem Zeitpunkt noch studiert und nach Filmideen gesucht – so kam eines zum anderen.
Der immer raumgreifenderen politischen Hoffnungslosigkeit setzt der Film etwas entgegen, indem er die solidarische Gemeinschaftlichkeit feiert.
Zwar erfährt der*die Zuschauer*in nur wenig darüber, wie man sich nicht nur zusammenschließt, demonstriert, Aktionen organisiert, sondern auch etwas gewinnt. Die Kampagnen und Gruppen, denen die Protagonist*innen ihre Zeit und ihre Leidenschaft schenken, werden eher gestreift als ausgeleuchtet. Zudem sind jene Bewegungsthemen, die 2022 hochaktuell waren und im Film eine Rolle spielen, es heute größtenteils immer noch, vieles ist bislang ungelöst geblieben: Der Ukraine-Krieg, die Jina-Revolution in Iran, die Berliner Wohnungskrise, die prekäre Lage der Pflegekräfte, Polizeigewalt. Klar wird: All diese Kämpfe brauchen Durchhaltevermögen, schnelle Siege sind selten, und dafür braucht man einander.
Denn welch enorme Kraft es gibt, nicht allein zu bleiben, auch das zeigt der Film eindrücklich. In Szenen aus dem Alltag der Protagonist*innen (in einer kleinen Nebenrolle: eine Ausgabe von ak) und Ausschnitten aus ihrem politischen Leben, das, wie man lernt, vom Privaten doch kaum zu trennen ist – eine alte Weisheit, neu verfilmt. Dass linke Politik niemals eine einsame Sache sein kann, gilt ja nahezu universell, für alle Kämpfe und jene, die sie ausfechten. Deshalb lässt es sich auch leicht darüber hinwegsehen, dass der Film mit fünf Hauptstädter*innen im ähnlichen Alter besetzt ist. In ihrem liebevollen Umgang miteinander kann sich jede*r wiederfinden. Und vielleicht ja auch etwas Hoffnung.
Niemals allein, immer zusammen. Deutschland, 90 Minuten. Regie: Joana Georgi.