Reise in die Kolonien
Aufgeblättert: Albert Londresʼ »Afrika in Ketten«
Von Kofi Shakur
Ein Weißer, der einen Schwarzen schlägt, muss fünfundzwanzig Franc bezahlen. Aber dazu gehören Zeugen«, schrieb der französische Journalist Albert Londres in seinen Reportagen aus den Kolonien, die nun auf deutsch erschienen sind. 1928 bereiste er für vier Monate den afrikanischen Kontinent, um über den Bau der Kongo-Ozean-Bahn und die militärischen Straflager im Maghreb zu berichten.
Nach der Reise wurde er von der Kolonialpresse diskreditiert. Wenn er aber darüber schrieb, dass beim Bau der Bahn »zwischen den Schienen mehr schwarze Leichen als Querbalken« zu sehen waren, ging es um die Effizienz der Ausbeutung. Weil es billiger war, ersetzte Handarbeit von Schwarzen Maschinen. Sie starben in großer Zahl und leisteten dabei weniger als die Arbeitsmethoden in englischen oder belgischen Kolonien, die Londres als Beispiel anführte.
Dennoch sind die Reportagen ein Plädoyer gegen die willkürliche Unmenschlichkeit der Kolonialisierung. Das Leid erschien als unnötig, die koloniale Bürokratie als paradox und zuweilen kafkaesk, wenn Staat und Bourgeoisie die kolonisierten Arbeitskräfte jeweils für sich beanspruchten. Auch den Handel zwischen Zentrum und Peripherie beschrieb Londres sarkastisch: »Kennt man die herrlichen Beziehungen, die die Weißen geschäftlich mit den Schwarzen verbinden? Wir schicken ihnen den entsetzlichen Ausschuss, der in den alten Lumpenkellern unserer Vorstädte moderte, und nennen sie Austauschware.«
Albert Londres: Afrika in Ketten. Reportagen aus den Kolonien. Die Andere Bibliothek, Berlin 2020. Aus dem Französischen von Petra Ball und Yvan Goll. 376 Seiten, 44 EUR.