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|ak 709 | Lesen |Rezensionen: aufgeblättert

Rechts-Links

Aufgeblättert: Doppelgänger von Naomi Klein

Von Nelli Tügel

Verlust und Vereinnahmung von linken Anliegen und Analysen durch die aufstrebende Rechte sind seit einigen Jahren ein Phänomen dramatischen Ausmaßes. Die linke kanadische Autorin Naomi Klein, bekannt geworden um die Jahrtausendwende mit ihrem Buch »No Logo«, erzählt die Geschichte dieser Verluste in ihrem neuen Buch als Doppelgängerstory. In Literatur und Film geht das Auftauchen eines Doppelgängers oft mit tiefen Verunsicherungen und existenziellen Gefahren einher, weil das vermeintliche Ebenbild danach trachtet, den Platz des Originals einzunehmen und es damit zu ersetzen.

Naomi Kleins Doppelgängerin ist die einst feministische Ikone Naomi Wolf, mit der Klein seit Jahren verwechselt wird, was sie zunehmend irritiert, denn Wolf rutscht immer stärker in rechtes Verschwörungsdenken ab. Während der Pandemie vollzieht sich ihr politischer Wandel vollends – und Klein entwickelt eine regelrechte Besessenheit mit »der anderen Naomi«. Dabei geht es um mehr als die Verwechslung zweier Autorinnen mit demselben Vornamen, denn Wolf verwendet in ihren wilden, oft via Social Media verbreiteten Behauptungen verzerrte Gedankenversatzstücke linker Analysen. Auch solcher von Klein, die in »Die Schock-Strategie« (2007) beschrieb, wie Katastrophen von Regierungen instrumentalisiert werden für die Durchsetzung etwa von neoliberalen Agenden. Bei Wolf wird daraus eine Pandemieverschwörung. Das ist nur eines von vielen Beispielen, anhand derer Klein die Leser*innen durch eine »Spiegelwelt« führt, die unsere beunruhigende Gegenwart ist.

Naomi Klein: Doppelgänger – Eine Analyse unserer gestörten Gegenwart. S. Fischer, Frankfurt am Main 2024. 496 Seiten, 29 EUR.