Corona und Räume zum Nachdenken
Aufgeblättert: »Post/pandemisches Leben« von María do Mar Castro Varela und Yener Bayramoğlu
Von Bahar Oghalai
»Die Pandemie hat uns in vielerlei Hinsicht eingeschränkt: unsere Mobilität, unsere Beziehungen, unsere Aktivitäten, unseren Konsum. Doch hat sie denen, die – wie wir – privilegiert waren, auch Räume zum Nachdenken eröffnet.« Diese Räume nehmen die Autor*innen in Anspruch. Ihr Buch stellt Fragen wie: Wird es nach der Pandemie ein Zurück zur Normalität geben? Wie sieht unsere post/pandemische Welt aus? Was werden die langfristigen Folgen dieser Zeit für unser gesellschaftliches Zusammenleben sein? Das Massensterben im Zuge der Covid-19-Pandemie, das Kollabieren der Gesundheitssysteme, das Erstarken rechter Kräfte und die massive Verbreitung von Desinformation und Verschwörungsmythen werden als Folgen eines globalen Turbokapitalismus gedeutet. Die Pandemie habe das Aufkommen dieser Phänomene bloß beschleunigt und verschärft. Aus diesen Beobachtungen heraus wird eine Theorie der Fragilität formuliert, die uns in post/pandemischen Zeiten begleiten soll. Im Zentrum steht die Anerkennung der Fragilität unserer Körper, unserer Demokratien, unseres Wissens. Mit der Annahme dieser Fragilität, so die Hoffnung, soll uns unsere gegenseitige Abhängigkeit über nationalstaatliche Grenzen hinaus vor Augen geführt werden, der wir mit einer längst veralteten Politik des Einzelinteresses nicht begegnen können. Das post/pandemische Leben ist demnach im besten Fall geprägt von der Sorge umeinander, vom Aushalten von Ambivalenzen und Widersprüchen und von der »Umarmung unserer Fragilität«.
María do Mar Castro Varela und Yener Bayramoğlu: Post/pandemisches Leben. Eine neue Theorie der Fragilität. transcript Verlag, Bielefeld 2021. 208 Seiten, 19,50 EUR.