Peace! Aber wie?
Zwei Neuerscheinungen klären fundiert und undogmatisch über Pazifismus und nichtmilitärische Konfliktlösungen auf
Von Nelli Tügel
Entscheidend ist die Zeitenwende in den Köpfen« – so hatte es Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr und damit Deutschlands ranghöchster Soldat, zu seinem Amtsantritt im März 2023 formuliert. Da war sie längst im Gange, die geforderte Zeitenwende in den Köpfen – seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 findet eine höchst beunruhigende ideologische Mobilmachung statt, die Wiedereinführung der Wehrpflicht als nächster Schritt auf dem Weg zu neuer deutscher Militärgröße scheint inzwischen wahrscheinlich.
Das Verächtlichmachen jeglicher Formen von ziviler Konfliktbearbeitung und Pazifismus ist die andere Seite dieser Medaille. Mit beidem beschäftigen sich zwei lesenswerte Neuerscheinungen. Zum einen das aus vielfältigen persönlichen Erfahrungen schöpfende Sachbuch »Worte statt Waffen« aus der Feder des kürzlich zum Linkspartei-Kovorsitzenden gewählten Hamburgers Jan van Aken, der unter anderem als Biowaffeninspekteur der Vereinten Nationen tätig war. Zum anderen das Büchlein »Pazifismus – Ein Irrweg?« des taz-Redakteurs Pascal Beucker.
Beide Schriften ergänzen sich gegenseitig. Van Aken beleuchtet mit einigen Rückgriffen auf die Vergangenheit, aber doch sehr im Hier und Jetzt, anekdotenreich und erfrischend undogmatisch verschiedene konkrete Schritte auf dem Weg zu einer friedlicheren Welt. Beucker liefert eine historisch hergeleitete Systematik der verschiedenen Spielarten des Pazifismus, die sich übrigens nicht auf den Nenner der absoluten Gewaltlosigkeit bringen lassen. Er ordnet die deutsche Friedensbewegung kritisch ein, bemängelt etwa deren teils »bedenkliche Doppelmoral«, wenn sich altgediente Aktivist*innen nicht dazu durchringen können, »Russland raus aus der Ukraine« ähnlich vehement zu fordern wie einst »Amis raus aus Vietnam«. Und rundet schließlich seine zugänglich geschriebene Einführung in den Pazifismus mit einem Plädoyer für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ab.
Ganz egal, ob man sich selbst mit der derzeitigen deutschen Friedensbewegung oder dem Pazifismus im Allgemeinen identifizieren kann, egal auch, wie große Hoffnungen man in die Vereinten Nationen und die Friedensfähigkeit unserer Weltordnung hegt – die Lektüre beider Bücher empfiehlt sich jeder*jedem, allein schon als Impfung: gegen die Zeitenwende in den Köpfen.
Jan van Aken: Worte statt Waffen – Wie Kriege enden und Frieden verhandelt werden kann. Econ, Berlin 2024. 300 Seiten, 22,99 EUR.
Pascal Beucker: Pazifismus – Ein Irrweg? Kohlhammer, Stuttgart 2024, 178 Seiten, 16,99 EUR.