Genossenschaft braucht Zeit und Geld
Dem neuen deutschland droht das Aus, doch die Belegschaft kämpft um das Blatt, erklärt nd-Redakteurin Marie Frank
Interview: Clara Brandner
Das nd ist gerade wieder viel in anderen Medien: Was ist los bei euch?
Marie Frank: Am 22. Februar wurden wir darüber informiert, dass bis Ende des Jahres die nd-GmbH aufgelöst wird und wir bis dahin eine Genossenschaft gründen sollen. Andernfalls würde das Unternehmen abgewickelt werden. Das kam für die Belegschaft völlig überraschend.
Liegen euch weitere Informationen vor?
Nein. Deshalb ist eine unserer Forderungen Transparenz. Wir wollen den entsprechenden Gesellschafter-Beschluss sehen. Alles muss auf den Tisch, damit wir eine tragfähige Lösung entwickeln können.
Marie Frank
leitet das Berlin-Ressort beim neuen deutschland. Die linke Tageszeitung, die u.a. der Linkspartei gehört, kriselt. Sie soll zum Jahresende abgewickelt werden, wenn die Belegschaft bis dahin keine Genossenschaft gründet. Frank erläutert, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen – und was jetzt getan wird.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Meldungen darüber, dass es dem nd schlecht geht. Inwiefern seid ihr jetzt überrascht?
Das Überraschende ist, dass es jetzt alles so schnell gehen soll. Vor allem, weil aus der Belegschaft in den vergangenen Jahren bereits der Wunsch nach einer Genossenschaft geäußert und das von der Geschäftsführung abgeblockt wurde.
Ihr habt vor dem Linke-Parteitag demonstriert – was erhofft ihr euch davon?
Als Mit-Gesellschafterin trägt die Linke Verantwortung. Man kann nicht mitten in Pandemie und Zeitungskrise 100 Leute auf die Straße setzen. Zehn Monate sind echt wenig Zeit, um mal schnell eine Genossenschaft zu gründen, die alle Fehler ausbügelt, die bisher gemacht wurden. Wir fordern eine Anschubfinanzierung, die ein zukunftsfähiges Konzept ermöglicht und dass wir jetzt alle Informationen bekommen, die wir brauchen. Das ist bislang nicht der Fall.
Bernd Riexinger wurde als Ex-Parteivorsitzender in einigen Medien damit zitiert, die Linkspartei habe ja in den vergangenen Jahren Millionen Euro in das defizitäre nd gesteckt, damit es nicht pleite geht…
Dass es dem nd finanziell schlecht geht, ist ja schon länger bekannt, und deswegen gab es ja auch mehrere Initiativen aus der Belegschaft. Das wurde allerdings wenig gewürdigt. Stattdessen hieß es von Riexinger, wir sollen ein Konzept überlegen, mit dem wir schwarze Zahlen schreiben. Wir sind aber chronisch unterbesetzt, wie soll man da nebenher Konzepte entwickeln, die die großen Fragen der Zeitungskrise lösen? Außerdem hat die Partei, so scheint es, auch aus Eigeninteresse ins nd investiert: Denn das Haus am Franz-Mehring-Platz 1 wäre in die Insolvenzmasse gefallen, wenn das nd pleite gegangen wäre. Um das zu verhindern, sollte das Gebäude in bester Berliner Lage in eine Stiftung der Linkspartei überführt werden. Das hatte Riexinger 2018 bei einem nd-Besuch der Belegschaft offen erklärt. Der Prozess sollte zwei, drei Jahre dauern. Genau nach diesem Zeitraum soll die nd-GmbH nun plötzlich aufgelöst werden, das wirft natürlich Fragen auf.
Wie würdest du das Verhältnis zwischen nd und Linkspartei beschreiben?
Wir haben ein Redaktionsstatut, aus dem klar hervorgeht, dass die Partei redaktionell keinen Einfluss nehmen kann. Wir sind also inhaltlich unabhängig, was vielleicht einer der Gründe dafür ist, dass die Linkspartei gar nicht so großen Wert drauf zu legen scheint, die Zeitung weiter am Leben zu erhalten.
Bei Jung und Naiv hat die neue Parteivorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, gesagt, dass sie es falsch findet, dass ihr keine Tariflöhne erhaltet. Wie viel verdient ihr denn?
Wir kriegen weniger als 60 Prozent des Tariflohns.
Spielen in dem aktuellen Konflikt solche Fragen überhaupt eine Rolle, oder geht es jetzt nur noch um die Rettung der Zeitung?
Wir wollen nicht eine Genossenschaft gründen, um uns kurz darauf selbst entlassen zu müssen.
Natürlich spielt das eine Rolle, auch eine Genossenschaft muss ja wirtschaftlich handeln, aber zugleich kann es nicht darum gehen, dass die Leute künftig noch weniger verdienen als jetzt schon beim nd, wo es seit Jahren keine Lohnerhöhung mehr gab. Insofern ist das Teil der Auseinandersetzung. Wir wollen auch nicht in die Lage kommen, eine Genossenschaft zu gründen, um uns dann kurz darauf selbst entlassen zu müssen. Genau deshalb ist ein tragfähiges Konzept ja so wichtig, deshalb brauchen wir Zahlen, und deshalb sagen wir, dass zehn Monate mit der Pistole auf der Brust nicht ausreichen.
Wie ist die Stimmung in der Belegschaft mit Blick auf die Genossenschaftsgründung? Und wie geht’s jetzt weiter?
Wir haben uns beraten lassen, wie man eine Genossenschaft gründet. Jetzt sind die verschiedenen Gremien – Redaktionsrat, Betriebsrat, Redaktionsleitung – in Gesprächen mit Geschäftsführer und Gesellschaftern. Wenn wir alle Informationen haben, werden wir eine Abstimmung über die Genossenschaftsgründung durchführen. Und wenn die positiv ausfällt, werden Arbeitsgruppen gegründet. Und dann werden wir auch externe Expertise brauchen, weil wir ja »nebenbei« auch noch eine Zeitung produzieren müssen.
Eure Auseinandersetzung berührt auch eine größere Frage, die uns alle betrifft: Was ist relevanter linker Journalismus? Was würdest du sagen, und warum braucht es dafür das nd?
Das nd ist eine wichtige linke Stimme der Medienlandschaft, weil wir uns täglich mit Themen beschäftigen, mit denen sich andere nicht beschäftigen. Wir sind nah an sozialen Bewegungen, an Arbeitskämpfen, an antifaschistischen und antirassistischen Themen, an der sozialen Frage. Und natürlich haben wir einen besonderen Blick auf Ostdeutschland. Wir sind eine linke pluralistische Zeitung, die es gerade in Zeiten des Rechtsrucks braucht.