Weg in den Untergrund
Aufgeblättert: Nanni Balestrinis »Der Verleger«
Von Jens Renner
Als Hommage an eine*n seiner produktivsten Autor*innen hat der Verlag Assoziation A einen erstmals 1992 auf deutsch erschienenen Roman neu herausgebracht: Nanni Balestrinis »Der Verleger«, ein politisch wie formal radikales Werk, geschrieben von einem Künstler, der zugleich revolutionärer Aktivist war. Es geht um den nie aufgeklärten Tod von Giangiacomo Feltrinelli, in Balestrinis Roman konsequent »der Verleger« genannt. Er starb im März 1972 durch die Explosion einer Bombe, angebracht an einen Strommast bei Segrate, am Stadtrand von Mailand.
»Weshalb zieht ein reicher Mann, ein Millionär wie der Verleger alleine los, um eine Dynamitladung an einem Strommast anzubringen«, lautet eine der Fragen, die 1989 eine Gruppe linker Intellektueller in einem Film über den Verleger klären will. Das ist die Rahmenhandlung. Erzählt wird sie in den geraden der insgesamt zwölf Kapitel. In den ungeraden Kapiteln finden sich weltpolitische Nachrichten, Ermittlungsergebnisse und zynische Pressekommentare zur Person des verstorbenen »Abenteurers« und »Playboys der Revolution«. In den Diskussionen der letztlich scheiternden Filmcrew wird deutlich, dass der reale Feltrinelli sehr ernsthafte Gründe hatte, in den Untergrund zu gehen und sich – in der Tradition des antifaschistischen Widerstands der Resistenza – auf die militärische Konfrontation mit der subversiven Rechten vorzubereiten. Balestrini macht in seinem Roman die Anspannung fühlbar, die damals nicht nur die radikale Linke erfasste.
Nanni Balestrini: Der Verleger. Roman. Aus dem Italienischen von Christel Fröhlich und Andreas Löhrer. Assoziation A, Berlin und Hamburg 2020. 151 Seiten, 18 EUR.