Bridget Jones
Von Jacinta Nandi

Lasst uns dieses Jahr Galentine’s Day feiern!«, schreibe ich in meinen SINGLE MOMS HAVE MORE FUN WhatsApp Gruppenchat. »Lasst uns den neuen Bridget Jones Film anschauen, und dann in Prenzlauer Berg Prosecco Cocktails trinken! Und alle müssen sich schick anziehen, sogar ich! Wer ist dabei?«
Aber die Moms sind nicht so begeistert, wie ich erwartet hatte: »Ich will den Film gar nicht sehen!«, schreibt eine Mama. »Keinen Bock auf diesen Film«, schreibt eine andere. »Ich habe nicht vor, mir diesen Film anzuschauen«, eine Dritte.
»WARUM NICHT?«, schrei(b)e ich zurück. Dass ich mit solchen Film-Snobs in einer WhatsApp-Gruppe gelandet bin, überrascht mich. »Ich kann es nicht ertragen, dass Bridget Jones jetzt Witwe ist.« »Das ist so schlimm, dass sie jetzt verwitwet ist.« »Ich werde es den Filmemachern nie vergeben, dass sie Mark Darcy getötet haben!« »Ja, als ich das gesehen habe, habe ich geschrien WAS MARK DARCY IST TOT?« »Ich verstehe nicht, wieso sie gedacht haben, dass sie das machen dürften. Mark Darcy töten – das geht gar nicht?«
Na ja. Ich habe natürlich den Film noch nicht gesehen, dafür aber das Buch gelesen. »Bridget Jones, Mad About the Boy« ist im Oktober 2013 veröffentlicht worden, und ich glaube, ich habe es kurz danach gelesen. Und ich glaube, alle, die das Buch gelesen haben, verstehen, warum Mark Darcy sterben musste.
Mark Darcy musste sterben. Besser tot, als ein Ex-Partner, der Bridget mit nervigen E-Mails und Textnachrichten über verschwundene Geigen belästigt.
Denn: Bridget Jones muss Single sein. So viel ist klar, oder? Ich will keine verheirateten Menschen beleidigen, und ich möchte nicht pauschalisieren, aber wir wissen alle: Verheiratete Frauen sind langweilig, nichts passiert ihnen mehr. Eine verheiratete Bridget hätte keine Zeit zum Schreiben, aber sie hätte auch nichts, worüber sie schreiben könnte. In den Tagesbüchern von verheirateten Frauen gibt es nur To-Do-Listen. Das Buch könnte gar nicht existieren, wenn Darcy und Bridget noch ein Paar wären.
Also: Bridget musste eine alleinerziehende Frau sein. Und dafür musste Darcy sterben. Besser tot, als ein Ex-Partner, der Bridget mit nervigen E-Mails und Textnachrichten über verschwundene Geigen belästigt.
Und, ich will nicht reaktionär klingen, aber: Warum hätte Bridget Jones Mark Darcy je verlassen? Weil er gewalttätig gewesen wäre? Jeder Mann kann gewalttätig werden, aber wenn Mark Darcy Gewalt ausgeübt hätte, hätte das die ersten Bücher ruiniert. Oder: Weil er faul und nutzlos war, und nie den Abwasch mitgemacht hat? Das könnte tatsächlich glaubwürdig sein – es gibt schon ein paar red flags in Darcys Persönlichkeit –, aber das hätte auch rückwirkend die Happy-Ends der letzten Bücher in Unhappy-Ends umgewandelt. Okay, dann hätte vielleicht er Bridget und die zwei Kinder verlassen können? Hätte sich in die Nanny verliebt und wäre abgehauen? Jetzt ist es mir egal, wenn ihr mir vorwerft, reaktionär zu sein: MARK DARCY WOULD NEVER!
Eigentlich sollten wir Single Moms am besten verstehen, wie unlustig das Buch zwangsläufig hätten werden müssen, wenn Darcy am Leben geblieben wäre. »Kannst du mir Geld für die nächste Klassenfahrt überweisen?«, schreibt sie, »Nein«, schreibt er zurück, »das ist im Unterhalt drin. Diese Woche ist Karate am Dienstag, an deinem Tag, dann müssen wir die Tage tauschen, ich bin bis 18 Uhr in einem Meeting.« »Ich kann die Tage nicht tauschen, ich bin nicht deine Sekretärin, übrigens sagt ihre Ergotherapeutin, dass sie mehr Schlaf braucht, wann geht sie bei dir ins Bett?« Und die Termine: Mediationstermine, Jugendamtstermine, Familiengerichtstermine… Man könnte ein Comedy-Buch über Co-Parenting-Pannen und die frustrierenden Realitäten des Lebens einer Alleinerziehenden nach der Trennung schreiben, sicherlich. Aber dieses Buch darf nicht an Mark Darcy gehen.
Die Wahrheit ist: Ich glaube, dass das Buch »Mad About the Boy« nicht das beste, aber jedoch das berührendste Bridget Jones Buch ist. Trotz Furzwitzen mit ihrem jungen Liebhaber sind manche Sätze, die Helen Fielding, die selbst Witwe geworden ist, über die Einsamkeit der Trauer und das Leben mit den Kindern ohne einen Mann schreibt, so schön, dass ich beim Lesen geweint habe. Ich will nicht damit suggerieren, dass dieses Buch autofiktiv ist, aber ich finde, ihre eigenen Erfahrungen haben diese Beschreibungen der Alltagstrauer tiefer gemacht.
Aber wahrscheinlich stimmt es auch, dass wir in Deutschland Bridget Jones als Literaturkreation ein bisschen unterschätzen. Genau wie Rocky 2, 3, und vor allem 4 dazu geführt haben, dass wir vergessen haben, dass der erste Rocky wirklich ein Meisterwerk ist, haben die Sex and the City-Filme die TV-Serie verschmutzt – und die Comedy-Filme der Bridget Jones-Reihe haben dafür gesorgt, dass die Bücher nicht als literarische Leistung angesehen werden. Die Bridget Jones Filme sind Comedy-Filme, und der erste Film ist ein ganz okayer Comedy-Film, die zwei danach sind fast schlecht.
Aber die Bücher sind brillant. Das erste Bridget Jones Buch ist ein satirisches Meisterwerk, das unsere toxische, sexistische Gesellschaft mit einer präzisen Schärfe zerfleischt. Bridget Jones und Helen Fielding haben beide problematische Meinungen. Aber sie haben auch Momente von Brillanz, die nicht als Satire wahrgenommen werden, weil unsere Gesellschaft nicht vorsieht, dass Frauen lustig und klug sein können. Das zweite Buch ist fast genauso gut wie das erste – und beim Wiederlesen letztes Jahres habe ich gemerkt, wie berührend die Szenen über den Tod der Prinzessin von Wales waren. (Aber auch wie lustig, als Bridget aus Versehen einen ganzen Käse aufisst, und dann überlegt, sich im Gedenken an Prinzessin Diana zu erbrechen). Das dritte Buch ist okay.
Und das vierte Buch? Das ist ein gutes Buch, das teilweise auch sehr sehr lustig ist, aber es ist auch ein Buch, das das satirische Element fast verloren hat. Vielleicht muss ein Buch, das die alltägliche Realität von Alleinerziehenden nach dem Tod eines Ehemanns zeigt, ein bisschen seine Schärfe verlieren. Das Buch ist sanfter geworden – Bridget auch.
Es tut mir leid, dass Darcy tot ist. Wirklich. Aber er musste sterben, damit diese Bücher geschrieben werden konnten. Und Bridget und ihre Kinder mussten es überleben, und sie werden es überleben und sie haben es überlebt. Ich freue mich total auf den Film, ich will sehen, wie Bridget weiter knutscht mit anderen Männern, trotz des schwarzen Lochs in ihrem Leben. Ja, Mark Darcy ist tot. Aber: Long live Bridget Jones!