Linksliberaler Cringe
Wer Mo Asumangs Dokureihe über »Andersdenkende« schauen will, braucht starke Nerven
Von Bilke Schnibbe
In der 3sat-Mediathek kann man sich seit kurzem eine neue Dokureihe von Mo Asumang anschauen, in der die Regisseurin Menschen mit »extremen Meinungen«, wie es im Ankündigungstext heißt, kennenlernt. Drei der vier Dokus werden von rechten Narrativen zusammengehalten: Fundamentalistische Christ*innen, Homofeinde und Männerrechtler werden besucht und befragt. Die andere dreht sich um Linksradikale.
Asumangs Dokus folgen damit konzeptuell und auch inhaltlich dem Modus »Hufeisentheorie«, nach der radikale Linke und Rechte eigentlich »gleich schlimm« seien. Die absichtlich naive Art, an die Gesprächspartner*innen heranzutreten und alle möglichst »unvoreingenommen« aber mit Haltung kennenzulernen, unterstützt diesen Eindruck.
Dementsprechend geht es in der Folge zu den Linken vor allem um die Frage, wann »legitimer« Aktivismus in »illegitime« Gewalt kippt. Bisschen Grundgesetz hier, bisschen historische Naziaufnahmen da. Richtig absurd wird das, als Asumang einen Aktivisten fragt, ob es nicht Gewalt gegen Vermieter*innen sei, eine Zwangsräumung zu blockieren. Wohlgemerkt, nachdem sich beide ein Video davon angeschaut hatten, wie die Polizei Demonstrierende bei einer solchen Blockade wegknüppelt.
Asumangs Dokus folgen konzeptuell und inhaltlich der Hufeisentheorie
Durch die vermeintlich harmlose Art des Nachfragens entwickeln die verschiedenen Folgen über Strecken einen gewissen RTL2-Charakter: Bürgerliche Zuschauer*innen dürfen sich über Protagonisten wie »Toni, der Assi«, einen menschenfeindlichen Rapper, kopfschüttelnd freuen. Die Zielgruppe der Dokus kann sich rückversichern, dass sie selbst weiß, dass man transgeschlechtliche Menschen nicht mit einem Maschinengewehr erschießen sollte. Dass Transfeindlichkeit momentan ein zentraler Teil erfolgreicher rechter, antifeministischer Mobilisierung ist, bleibt außen vor. Da hilft es auch nicht, dass Asumang an einer Stelle erwähnt, dass Queerfeindlichkeit auch in der Mitte der Gesellschaft »vorkommt«.
Das latente Gefühl unangenehmer Fremdscham löst sich an den Stellen auf, an denen man anfängt, sich offensiv zu ärgern. Zum Beispiel, wenn Asumang Geschichten und Aufnahmen von Gewalt gegen transgeschlechtliche Frauen benutzt, um eine dramatische Opfererzählung für ihr Publikum zu inszenieren. Man fragt sich, welche Szene schlimmer ist: Die, wo Asumang betroffen auf einer Wiese sitzt und aus dem Off ein (ausgedachter) Abschiedsbrief von Ella Nik Bayan vorgelesen wird. Bayan, eine transgeschlechtliche Frau aus Iran, hatte sich im September 2021 auf dem Alexanderplatz selbst verbrannt. Asumang antwortet auf Bayans vermeintliche Worte mit Dingen wie »Komm her« und nickt verständnisvoll. Ja, das alles ist mit dramatischer Musik unterlegt. Oder ist die darauf folgende Szene schrecklicher, in der Asumang Toni, dem Assi, Bilder von Ella zeigt und beide darüber sprechen, dass sie eigentlich wie eine hübsche, lebensfrohe Frau aussehe.
Das ist so grauenhaft, da ist es fast schon Nebensache, dass Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung von fast allen Sprechenden wie gewohnt wild durcheinander geworfen werden und es eigentlich fast ausschließlich um schwule Männer und transgeschlechtliche Frauen geht. Transgeschlechtliche Frauen sprechen auch bei Asumang nicht für sich selbst, sondern bekommen wie üblich nur als Leichen, als Opfer, eine Bühne.
Die weinende Mutter, die darüber spricht, wie belastend es war und ist, ein nicht-binäres Kind zu haben, darf natürlich auch nicht fehlen. Bilder von feiernden Queers auf dem CSD und in einem Club runden den Leckerbissen für die bürgerlichen Sehgewohnheiten des 3sat-Publikums ab.
Zusammengenommen ist die Dokureihe das groteske Zeugnis eines linksliberalen Betrachtungsversuchs der gesellschaftlichen Spaltung. Das ist an Stellen zwar unterhaltsam, im Fall der Folge zu Queerfeindlichkeit allerdings kaum erträglich anzuschauen.
Vier der insgesamt sechs Folgen der Dokureihe sind online in der 3sat-Mediathek zu sehen.