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|ak 708 | Lesen |Rezensionen: aufgeblättert

Militante Biografie

Aufgeblättert: »Der Hund des Terroristen« von Harry Stürmer

Von Gabriel Kuhn

Harry Stürmer, aufgewachsen in Essen, verbrachte viereinhalb Jahre in Haft, nachdem er 1977 der Unterstützung der Bewegung 2. Juni angeklagt worden war. Heute lebt er im Baskenland. In dem Buch »Der Hund des Terroristen« hat er seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Oder sein ehemaliger Hund hat das getan bzw. seine ehemalige Hündin. Es ist ein bisschen kompliziert. Ob der literarische Kniff aufgeht, mögen die Leser*innen entscheiden. Die Geschichte ist in jedem Fall spannend für alle, die das Lebensgefühl der subkulturell geprägten Politaktivist*innen der 1970er Jahren einfangen wollen. Auch über deren weiteren Lebensweg wird sinniert. Wie bleibt man sich treu, wenn es die politischen Zusammenhänge, in die man einst eintauchte, nicht mehr gibt? Wie, wenn sich die Welt grundlegend verändert hat? »Der Hund des Terroristen« ist ein Buch zum Gernhaben, Hündin wie Protagonist sind offen und sympathisch. Gestreift wird vieles: Fußball, Christiane F. und ein Liebesleben, das auch zu Zeiten dessen Befreiung verzwickter war, als man sich das vielleicht gewünscht hätte. Wer sich mit der Geschichte der deutschen Stadtguerilla beschäftigt hat, wird Bestätigung dafür finden, dass es rund um die Bewegung 2. Juni mehr Leichtigkeit und Humor gab als andernorts. Nimmt man sich – bei aller politischer Konsequenz – nicht allzu ernst, muss das kein Schaden sein. Begleitet wird die Erzählung von Musik, die sich per QR-Code auf Spotify oder Youtube runterladen lässt. Wir sind nicht mehr in den 1970ern.

Harry Stürmer: Der Hund des Terroristen. Immergrün Verlag, Berlin 2024. 360 Seiten, 15 EUR.