Marseille 1942
Aufgeblättert: »Planet ohne Visum« Jean Malaquais
Von Jens Renner
75 Jahre nach Erscheinen der französischen Erstausgabe hat die Hamburger Edition Nautilus Jean Malaquais‘ umfangreichen Roman »Planet ohne Visum« in Nadine Püschels grandioser deutscher Übersetzung neu herausgebracht. Ein »Schlüsselroman« ist das nicht, aber einer, in dem diverse Figuren an historische Personen erinnern, wie die Übersetzerin in ihrem Nachwort zeigt. Dazu zählen neben Malaquais die Schriftsteller André Gide, Walter Benjamin oder Victor Serge. Ort der Handlung ist Marseille, das 1942 noch zu Frankreichs unbesetzter Freier Zone gehört. Für Emigrant*innen aus verschiedenen Ländern ist die südfranzösische Hafenstadt das nur schwer passierbare Tor auf ihrem Weg nach Amerika. Ihnen gegenüber stehen Bürokrat*innen und Kollaborateur*innen, zwischen den Fronten arbeiten Mitglieder internationaler Hilfsorganisationen. Die von Nazi-Deutschland Verfolgten streiten um die richtige politische Strategie: Ist die antifaschistische Einheitsfront notwendig oder opportunistischer Verzicht auf die Revolution? Konflikte gibt es auch in der Genossenschaft, in der viele Illegalisierte arbeiten. Am Ende kommen die deutschen Besatzungstruppen. Die Geflüchteten geraten in Panik: »Alle verloren sie den Kopf, als brächte der bloße Anblick der Deutschen schon den Tod.« Wer sich retten konnte, bleibt offen. Malaquais gehörte dazu. Schon während der von ihm geschilderten Ereignisse begann er mit dem Roman. Die Lektüre ist, auch wegen vieler Handlungssprünge und Perspektivwechsel, eine lohnende Herausforderung.
Jean Malaquais: Planet ohne Visum. Roman. Aus dem Französischen von Nadine Püschel. Edition Nautilus, Hamburg 2022. 661 Seiten, 32 EUR.