Arbeitsalltag und tägliche Erniedrigungen
Aufgeblättert: »Spuren der Arbeit. Geschichten von Jobs und Widerstand« von Mark Richter u.a.
Von Nina Scholz
Obwohl die meisten von uns jeden Tag zur Arbeit müssen, gibt es über die Arbeit selbst sehr wenig Literatur. Klasse ist zwar (angeblich) zurück, oftmals geht es in den Romanen und Biografien aber um das Arbeiter*innenmilieu der Eltern, das die Schriftsteller verlassen haben, weniger um die alltäglichen Erniedrigungen. Der Sammelband »Spuren der Arbeit. Geschichten von Jobs und Widerstand« versucht, diese Lücke zu füllen: Verschiedene Autor*innen beschreiben in kurzen Kapiteln schonungslos ihren Arbeitsalltag: Überstunden, die verlangt werden, sexistischen Beleidigungen und Belästigungen, aber auch wie es ist, wenn man die Arbeit verliert – sechs Tage vor Weihnachten. Sie erzählen aber auch, wie sich die Autor*innen gemeinsam mit ihren Kolleg*innen zur Wehr setzen und die Entlassung eines Kollegen verhindern, wie ein Ministreik ihre Arbeitsbedingungen verbessert und sie zeigen, wie viel Mut und Kraft diese Akte des alltäglichen Widerstands brauchen, aber auch zurückgeben. Allzu oft fokussieren Geschichten über Widerstand nur auf spektakuläre Ereignisse: auf Streiks, Blockaden, Demonstrationen. Das ist hier anders: »Spuren der Arbeit« lenkt den Blick auf die alltäglichen Geschehnisse, die aber nicht weniger bedeutend sind. Das Beste daran: Sie wurden von Arbeiter*innen selbst aufgeschrieben, sind keine Fiktionen, Projektionsflächen, keine gefälligen Interviewpartner*innen für eine eigene politische Agenda. Gesammelt wurden sie von der syndikalistischen Gewerkschaft International Workers of the World (IWW).
Mark Richter, Levke Asyr, Ada Amhang, Scott Nikolas Nappalos (Hg.): Spuren der Arbeit – Geschichten von Jobs und Widerstand. Die Buchmacherei, Berlin 2021. 260 Seiten, 14 EUR.