Links in Palästina
Ein neues Buch über die Geschichte der palästinensischen Linken zeigt ihre Entwicklung vor allem als Niederlage
Von Robert Foltin

Von einer Linken in Palästina zu reden erscheint vermessen, hierzulande scheint sie für viele nicht zu existieren. Ältere Linke erinnern sich sicher an Gruppen wie die PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) und die DFLP (Demokratische Front zur Befreiung Palästinas), mit denen sich europäische Linke solidarisierten und auch zusammenarbeiteten. Thomas Schmidinger hat sich nun in einer Einführung in die Geschichte der palästinensischen Linken probiert.
In der heutigen internationalen Solidaritätsbewegung gegen den Krieg in Gaza wird die linke Geschichte Palästinas oder der Palästinenser*innen wieder diskutiert.
Probleme bei der Beschreibung beginnen mit der Abgrenzung, einerseits regional, wo sich Schmidinger auf das Westjordanland, den Gazastreifen und die Diaspora beschränkt und darauf hinweist, dass die israelische Linke (die zwangsläufig jüdisch und palästinensisch-arabisch ist) ein zusätzliches Buch erfordern würde. Schmidinger hat nur die Gruppen in seine Analyse einbezogen, die auch eine soziale und gesellschaftliche Veränderung anstreben und sich nicht auf arabischen/palästinensischen Nationalismus beschränken. Deshalb haben es die bürgerliche Fatah oder Gruppierungen, die sich wegen ihrer Bündnispartner oder weil es gerade in den antikolonialen Bewegungen modern war »links« nannten, nicht ins Buch geschafft.
Der Niedergang des Linksnationalismus begann.
Das Buch beginnt mit der Kommunistischen Partei Palästinas, die von jüdischen Einwanderer*innen im britischen Mandatsgebiet gegründet wurde. Sie versuchte den antikolonialen Kampf der palästinensischen Bäuer*innen zu unterstützen. Trotz dieses Anspruchs der KP fanden nur wenige Palästinenser*innen den Weg zum Kommunismus.
Nach der Gründung Israels im Krieg mit den arabischen Staaten und der Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung veränderte sich auch die politische Landkarte.
Der Libanon als Hauptexilland wurde zum Ursprung des palästinensischen Linksnationalismus. Die BAN (Bewegung der Arabischen Nationalisten) legte die Grundlage für einige vom Marxismus-Leninismus geprägte Organisationen, die in der Phase nach der Eroberung des Westjordanlands und des Gazastreifens im Sechstagekrieg durch Israel auch in der europäischen Linken beachtet wurden: PFLP und DFLP.
Nach diesem Krieg machten sich die PFLP und ihre Unterorganisationen oder Abspaltungen durch Flugzeugentführungen einen Namen, aber auch als radikale Opposition innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die neben dem bewaffneten Kampf einen ersten Höhepunkt mit ihrer internationalen Anerkennung und der Rede Jassir Arafats vor der UNO erreichte.
Die Erste Intifada ab 1987 – die Massendemonstrationen in den besetzten Gebieten – veränderte die Situation. Die linken Organisationen stellten sich hinter die Intifada und beteiligten sich an der Vereinigten Nationalen Führung des Aufstandes, konnten ihren Einfluss aber kaum vergrößern. Im Gegensatz dazu begann in den folgenden Jahren der Aufstieg der erst 1987 gegründeten islamistischen Hamas als radikale Opposition zu Fatah und PLO. Die DFLP beteiligte sich am Oslo-Friedensprozess der 1990er, während sich die PFLP durch radikale Ablehnung zu profilieren versuchte. Sie wurde als konsequente Kritikerin des Friedensprozesses der PLO durch die islamische, reaktionäre Organisation Hamas abgelöst. Der Niedergang des Linksnationalismus begann. Schmidinger beschreibt die Geschichte der palästinensischen Linken als eine Geschichte von Niederlagen.
Die Zweite Intifada ab 2000 mit Demonstrationen und (Selbstmord-)Attentaten gegen israelische Zivilist*innen wurde von der Hamas und anderen islamistischen Organisationen dominiert, die PFLP sah sich aber gezwungen, ihre Kampfmethoden daran anzupassen. Im Jahr 2005 konnten die linken Organisationen bei den einzigen Wahlen in den besetzten Gebieten nur marginale Erfolge erzielen.
Erstaunt zeigt sich der Autor dieser kurzen Einführung, dass es keine maßgebliche Kritik linker palästinensischer Gruppierungen am Angriff und dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 gab, wobei er argumentiert, dass die rechtsradikale Regierung Israels und die harte Kriegsführung der israelischen Armee Kritik an der Aktion der Hamas erschwert hat.
Eine Geschichtsschreibung über Linke in Palästina ist auch immer ein Ringen um Begrifflichkeiten. Schmidinger vermeidet die Begriffe »Apartheid« und »Genozid«, wie sie international selbstverständlich verwendet werden. Wenig Raum lässt er der Unterdrückung durch den Staat Israel. Das ist jedoch kein Mangel in der Darstellung, da die Geschichte Palästinas und Israels nur kursorisch behandelt wird, was aber für Menschen, die sich nicht viel mit der Region beschäftigen, ein Problem sein könnte (zum Glück gibt es Wikipedia).
Anderes ist mehr ein Problem des Lektorats als eines des Autors: geschlechtersensible Schreibweise kommt nur am Rand vor. In einer Neuausgabe könnte ein Glossar der Organisationen und ein zusätzlicher Abriss der Geschichte Israels/Palästinas das Buch bereichern. Und natürlich fehlt ein Buch zur israelischen Linken.
Thomas Schmidinger: Die Linke in Palästina. Eine Einführung. Mandelbaum Verlag, Wien 2024. 160 Seiten, 15 EUR.