Spielkonsolen, Nespresso-Kapseln und Nachhaltigkeit
Aufgeblättert: »Konsumideologie« von Johannes Greß
Von Nico Graack
Im französischen Orgeval kam es 2020 zu Riots, weil ein Discounter eine neue Spielekonsole billig angeboten hatte, aber angesichts der Massen an Kaufwilligen seine Türen geschlossen hielt. Das Ereignis deutet auf die ideologische Funktion hin, die der Konsum in unseren Gesellschaften hat, argumentiert Johannes Greß.
In seinem Buch geht es um das »gemeinsame ideologische Element der Videospiel-Freaks von Orgeval, einer ökosozialen Marktwirtschaft und CO2-neutralen Nespresso-Kapseln«. Nachdem er dieses mit Marcuse in der integrativen Funktion des Konsums verortet und dann mit Laclau und Žižek die Ideologietheorie um ihren Bezug auf ein »falsches Wissen« gereinigt hat, gelangt er zu einer dreifachen ideologischen Funktion des Konsums: Erstens die Entpolitisierung nicht mehr nur in der Form »Ist doch alles super, du kannst aus 15 Fluglinien wählen«, sondern in der Form »Unser Flug ist nun sogar nachhaltig – dein Konsum rettet die Welt«. Zweitens Genuss jenseits der materiellen Ware: Das Auto bringt einen nicht nur von A nach B, es ermöglicht einem Freiheit und Männlichkeit. Drittens die Realisierung des Mehrwerts auf einem quasi gesättigten Markt.
Spätestens im Schlusskapitel bricht sich aber eine zentrale Schwäche Bahn: Greß will alles zugleich – »wuchernde Kontingenz« und »die Herrschenden vom Sockel stoßen«, der Staat als »ideeller Gesamtkapitalist« und als starke Hand in der Klimakrise, Postmoderne und Lacan. Ein solches Potpourri kommt dann nicht mehr über eine »Ethik der Demokratie« und ein »Genießen jenseits quantitativen Wohlstands« hinaus.
Johannes Greß: Konsumideologie – Kapitalismus und Opposition in Zeiten der Klimakrise. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2022. 168 Seiten, 16,80 EUR.