Komm bitte, Kitsch
Von Kuku Schrapnell
»Don’t Look Up« ist ein scheiß Film. Diese Meinung teile ich laut David Ernesto García Doells Rezension mit dem Titel »Revolution oder Klimakatastrophe« mit Liberalen und Konservativen. Dabei würde ich David in eigentlich so ziemlich allem zustimmen. Vor allem darin, dass der Film am Ende eben doch vor allem eins ist: zynisch.
Und bitte, es ist 2022! Dieses pseudojugendliche, nervige Mir-ist-alles-egal-Getue war schon in den 2010er Jahren modisch und kulturell komplett überholt. Es sollte doch eigentlich offensichtlich sein, dass die Zeit der Edginess und des plumpen Sarkasmus langsam ihren Zenit überschritten hat.
Dass der Zynismus keine Zukunft hat, war eigentlich schon immer klar. Ich erinnere mich an einige Theorie-Linke mit Abos vom Gegenstandpunkt bis zur Bahamas, die mit dem Selbstbewusstsein einer Halbgöttin so ziemlich alles ihrer ach so ausgereiften, spitzen Kritik unterziehen konnten. Nichts durfte schmalzig und stumpf, alles sollte feingeistig und dings sein. So war das damals.
Treffen heute zwei dieser Exemplare aufeinander und »diskutieren« (Fremdwort, Fremdwort, die Arbeiterklasse, Fremdwort), treibt der Pseudozynismus allerdings interessante Blüten. Es dauert meist nicht all zu lange bis die Situation eskaliert und der absurdeste Kitschfilm oder die schmalzigste Autorin wird als sehr tiefgründig verteidigt. Da stecke das ganze Herzblut einer Generation und eigentlich auch der Vorschein der besseren Gesellschaft oder was auch immer drin.
Ist der ganze Zynismus erstmal passé, wird in die Verteidigungshaltung gewechselt, als ginge es um das eigene Leben. Und darum geht es ja auch tatsächlich. Weil alles so schlimm und schlecht und durchsichtig ist, braucht es dieses kleine Stück vom Guten, in das man sich ganz unkritisch reinkrallen kann. Wenn das Gespräch an diesen Abgrund geraten ist, kommt es meist unausweichlich zum Kitschvorwurf. Schade.
Denn Kitsch hat leider nicht den besten Ruf unter Linken. Nicht zuletzt Adorno beschreibt ihn als das »dümmlich Tröstende«. DDR-Kitsch, Bewegungskitsch oder Identitätskitsch – auch Linke gönnen einander keine Schwelgereien. Was den Kitschvorwurf so beliebt macht, ist, dass er immer dort trifft, wo es weh tut. Denn was der eine lächerlich, dümmlich und ein bisschen zu feminin findet, ist für die andere eben genau der pathos-überladene Halt, der doch noch ein bisschen Hoffnung und Zuversicht gibt.
Und ehrlich, ich kann das nicht mehr. Liebe Genoss*innen, ich bin nicht länger bereit, mir von eurer kritischen Kritik jede Kleinigkeit kaputt machen zu lassen, aber dann plötzlich erkennen soll, warum die Sissi-Filme vom Kommunismus erzählen. Und bitte versteht mich nicht falsch: Ich liebe Sissi – aber einfach nur so, weil es eben geiler Kitsch ist.
Das Problem ist (wie immer bei den verklemmten Linken): Alle vermuten den Kitsch bei den anderen – niemand will zugeben, dass er*sie drauf steht. Wenn wir all den Pathos, die Schwere, die überlastete Romantik aus unseren heimlich-peinlichen Lieblingsfilmen, -büchern, – liedern streichen, dann bleibt da hoffentlich dieser fein ironische Rest, der sich selbst nicht ernst nehmen muss, um das Schöne zu wollen. Zu behaupten, dass es etwas Gutes und Genussvolles gibt, während sich alle ihren Endzeitfantasien hingeben und sich Nazis und Esos mit Waffen sonst was überlegen und es wirklich nicht gut aussieht, ist wichtig. Wir dürfen uns auch in dieser Situation gelegentlich dem Kitsch hingeben. Das heißt für mich, sich selbst auch manchmal nicht ernstzunehmen, sich naiven Träumen hinzugeben. Für einen Augenblick die Utopie konkret werden zu lassen, ohne Angst vor dem Bilderverbot, weil das Bild schön ist und gut tut, bevor es verpufft.