Komm bitte, Frieden
Von Kuku Schrapnell
Eine Kolumne »Komm bitte, Frieden« zu nennen, fühlt sich in diesen Zeiten ziemlich naiv, ja fast schon albern, an. Aber gerade deshalb sollte man es wahrscheinlich trotzdem tun, denn die Forderung nach Frieden sollte eigentlich so etwas wie der Minimalkonsens aller Linken sein. Dass niemand durch Gewalt sterben muss, ist so ein einfacher, so ein klarer Wunsch – und irgendwie ziemlich in Vergessenheit geraten.
Zu sehen wie die Gewissheit, dass Krieg etwas schreckliches ist, auch anlässlich des Krieges in der Ukraine in den Hintergrund rückt, ist leider nicht überraschend. Die Verehrung linker Kriegsheld*innen ist schon länger so eine unangenehme Sache. Da wird aus Trauer und Schmerz Erinnerung, aus Erinnerung Gedenken und aus dem Gedenken wird aus unerfindlichen Gründen Mythos und Verehrung.
Viele Revolutionär*innen sind mittlerweile so verklärt, dass sie fast schon aus einem Bonnie-Tyler-Song stammen könnten. Und ja, die Geschichte und unsere Gesellschaft heute zeigen mehr als deutlich, dass jedes linke Projekt sich verteidigen können muss, will es erfolgreich sein. Vom pfälzischen Bauernkrieg bis zur anarchistischen Revolution in Spanien, von Rojava bis nach Chiapas: immer wieder ist der Griff zur Waffe notwendig, um eine bessere Gesellschaft zu erkämpfen und zu verteidigen.
Auch, wenn es also gute Gründe gibt, sich dem militanten Widerstand zu verschreiben, ist es doch immer wieder seltsam, wie sich manch ein Genosse im Krisenfall zum Geo- und Militärstrategen mausert – und das nicht erst seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Eine gewisse, linke »Abgeklärtheit« ist schon länger Mode. Aus kritischer und sicherer Distanz meinen so einige, Kriege recht objektiv beurteilen zu können: Vorteile, Fehler, Strategien werden auf Twitter oder in der Kneipe diskutiert wie das letzte Fußballspiel. Zumindest glaube ich, dass man das mit Fußballspielen macht, aber ich bin eher für andere Ballsportarten zu haben.
Und während es natürlich richtig und wichtig ist, sich kritisch mit dem, was in der Welt geschieht, auseinanderzusetzen, wird allzu oft aus der kritischen und distanzierten Beschäftigung hemmungslose Bejahung. Sei es das Faible für Nationalfahnen und -symbole als Zeichen der Solidarität, das Verteidigen von wahlweise der Nato oder Putin, das Bewundern der tapferen Soldat*innen oder Freiwilligen, die sich immer mal wieder als Nazis und Nazi-Söldner*innen entpuppen.
Egal, wo sich die anderen gerade befinden, sei es in der Verehrung und im Mythos, sei es in der Position der kritischen Kritik oder irgendwo im Umschwung von einem ins andere, die Forderung nach Frieden wird schnell verlacht. Denn wer Krieg zuerst als Notwendigkeit und nicht als Not betrachtet, kann es nur für naiv halten, eine solche Forderung zu stellen. Aber vielleicht liegt in ein bisschen mehr Naivität auch die Chance, nicht immer nur in Sachzwängen zu denken. Dass die Welt nicht durch ein gemeinsam gesungenes »Give Peace A Chance« gerettet wird, ist klar. Das geschieht aber auch nicht durch nationale Militärs. Irgendwo dazwischen gibt es ihn, den militanten Pazifismus. Daran will ich ganz naiv glauben.