Komm bitte, Buffy
Von Kuku Schrapnell
Alle paar Jahre ist es wieder soweit: Ich selbst oder jemand in meinem Umfeld kommt auf die fantastische Idee, noch einmal alle sieben Staffeln »Buffy – The Vampire Slayer« zu gucken. Noch einmal mitzuerleben, wie Buffy und ihre Freund*innen, die Scooby Gang, allerlei Vampire und Dämonen bezwingen und mindestens am Ende jeder Staffel einmal die Welt retten. Noch fantastischer wird es nur, wenn sich irgendwo eine unbescholtene Seele, ein jungfräuliches Herz findet, das noch nie einen Fuß in den endlosen Kosmos von Buffy gesetzt hat. Noch einmal zu sehen, wie jemand zum ersten Mal sieht, wie sich unsere Buffy das erste Mal verliebt, den ersten Liebeskummer durchlebt, wie Freundschaften entstehen, auf die Probe gestellt werden und sie überdauern, wie schwer es ist, Verantwortung zu tragen, und wie gut es tut, sie zu teilen, gerade wenn es um das Ende der Welt geht.
Kurz gesagt: Buffy könnte aktueller nicht sein. Das Klima steht vor dem Kollaps, die alte Weltordnung auch, der Kapitalismus strauchelt eh von einer Krise in die nächste, und auch uns wird kein einzelner Auserwählter helfen. Denn das ist die Prämisse hinter Buffy: In jeder Generation wird ein Mädchen geboren, das dank übernatürlicher Kräfte in der Lage ist, das Böse zu bezwingen, das nur darauf lauert, die Menschheit zu vernichten. Buffy aber durchbricht diese Idee der einsamen Kriegerin und verlässt sich auf ihre Freund*innen, bezieht sie in den Kampf mit ein, und am Ende schaffen sie es eben gemeinsam.
Das tolle an Buffy ist aber, dass die Probleme, die immer wieder auftauchen, paranormal wie alltäglich sind und sich dabei spiegeln und bedingen, ohne dass je das eine wichtiger wird als das andere. Denn ähnlich wie das immer wiederkehrende Ereignis, dass in jeder Folge ein Monster Of The Week der Scooby Gang zusetzt, tut es auch die immer gleiche Wiederkehr der Schule, der Uni und des Jobs und damit auch die Probleme in Freundschaften, Liebesbeziehung und natürlich der bürgerlichen Gesellschaft.
Apropos bürgerliche Gesellschaft. Da bleibt es natürlich nicht aus, über die Produktionsbedingungen zu sprechen, und damit meine ich leider nicht die fantastische Folge, in der Buffy, von Geldsorgen gepeinigt, in einem Burger-Laden mit dem Namen »Double Meat Palace« arbeitet und neben dem schrecklich monotonen Alltag im Prekariat auch noch das Geheimnis um die Herkunft der geheimen Zutat im Fleisch lüften muss. Nein, leider geht es um die Produktion der Serie selbst. So wurden Anfang des Jahres 2021 Vorwürfe aus dem Cast laut, am Set hätte eine toxische Stimmung geherrscht. Mehrere Schauspieler*innen sprechen von Machtmissbrauch durch Whedon, der Buffy produzierte, am Drehbuch mitschrieb und auch mehrfach Regie führte. So soll Whedon die schwangere Charisma Carpenter fett genannt und sie zum Abbruch gedrängt haben, bevor er ihre Rolle dann aus der Serie schrieb und sie feuerte.
Darf man eine Serie, die unter solchen Umständen entstanden ist, gut finden, ja, lieben? Zumindest Sarah Michelle Gellar, die in allen sieben Staffeln Buffy verkörperte, sagte zuletzt, dass sie bis heute stolz darauf sei, dass ihr Name mit Buffy in Verbindung gebracht werde, auch wenn sie sich wünschen würde, das gelte nicht für Joss Whedon. Gerade, weil die Serie unfassbar feministisch ist, schockiert es so sehr, dass es am Set eine solche Frauenfeindlichkeit gab.
Denn Buffy ist die Antwort auf den weiblichen Opfermythos: Die schöne, modebewusste Blondine, die nachts von einem Vampir angegriffen wird, stirbt in den meisten Horror-Formaten selbst heute noch. Buffy war die, die sich wehrt, die nach ein paar ulkig choreographierten Actionszenen den Pflock nimmt und den Vampir in Staub verwandelt. Buffy war die, die Glück in Freundschaften gefunden hat und nicht in romantischen Beziehungen. Buffy zeigt, wie wichtig eine gleiche Gewichtung von Care-Arbeit, Arbeit und das Böse bekämpfen ist – und wie schwierig sich das immer wieder gestaltet. Buffy ist mein größtes Vorbild, meine große Liebe und Gegenstand der schönsten Diskussionen.
Buffy ist die, die mir in schweren Zeiten ins Ohr flüstert: »The hardest thing in this world is to live in it.«