Komm bitte, Antifa Anale
Kolumnistin Kuku Schrapnell träumt von der Po-Sex-Revolution und Jens Spahn macht mal wieder alles kaputt
Von Kuku Schrapnell
Mein jährlicher Silvesterurlaub führte mich schon in Budapester Schwulenclubs, die zur Feier des Tages strippende Bodybuilder auf die Bühne stellten oder eine Blow-Job-Performance mit Publikumsbeteiligung boten. Jetzt in der Pandemie fällt das alles natürlich kleiner aus und ich reise mit nur einer anderen Person nach Rostock. Ja, Rostock klingt jetzt nicht so sexy, aber allein der Versuch zur maritimen Platte muss dieser Stadt hoch angerechnet werden.
Ausgerechnet am letzten Tag des Jahres, wo ich der einzigen Tradition in meinem Leben nachgehe und mich in den Zug Richtung Meer setze, ist der letzte freie Platz umgeben von einer Gruppe angetrunkener Münchener Studis.
Wer heute noch das Cap mit dem Schirm nach hinten trägt, die Maske lässig unterm Kinn baumeln lässt und herrisch aus dem Fenster gestikulierend verkündet, dass dem Papi hier auch irgendwas gehört, der kann nur aus München kommen. Und muss natürlich eine ordentliche Portion cis-Männlichkeit zwischen den Beinen tragen.
Man wird nicht als Antifaschist geboren, man wird zum Antifaschisten gefickt!
Dass sich gerade Männlichkeit seit bald zwei Jahren so gut mit dem weinerlichen Leiden an der Maskenpflicht verbinden lässt, ist ja auch so ein Treppenwitz der Geschlechterordnung – zeichnet sich diese Personengruppe doch häufig durch allgemeine Zeigefreudigkeit aus. Was Männlichkeit neben dem aktuellen Nasenpimmel-FKK mit Protofaschismus, Ostdeutschland und Analsex zu tun hat, soll heute unser Thema sein bei einem kleinen Ausflug in die neuere Bewegungsgeschichte.
Erinnern wir uns an das letzte Mal, als die wöchentliche Mobilisation weinerlicher Männer die öffentliche Diskussion bestimmte, landen wir schnell bei Pegida. Auch bei deren »Spaziergängen« ab 2014 kam eine bunte Mischung von Bürgis und Nazis zusammen und »sorgte« sich um Souveränität, Selbstbestimmung und »Freiheit«. Auch damals reagierte man von staatlicher Seite langsam bis gar nicht auf die Radikalisierung ganzer Milieus. Warum auch?
Anders als heute waren damals wenigstens die Erklärungsversuche für das neue Phänomen um einiges unterhaltsamer: Während wir Antifas in Ostdeutschland wöchentlich auf die Straße gingen oder auf dem sächsischen Land unterwegs waren, schrieben westdeutsche Studi-Linke ausführliche Hausarbeiten darüber, wie es dazu kommen konnte, dass innerhalb kürzester Zeit eine rassistische und nationalistische Massenbewegung auf der Straße stand.
Dabei ist mir einer der vielen Texte ganz besonders in Erinnerung geblieben: Er interessierte sich nicht für die ökonomischen Bedingungen seit 1989, wie Nationalismus und Nationalstaatlichkeit im verhältnismäßig frisch annektierten Osten abläuft oder die vielen anderen Punkte, die wir damals so diskutierten. Nein, es ging um Freud. Genauer gesagt, um Freuds Idee vom Analcharakter.
Ein Analcharakter ist so ganz grob zusammengefasst ein Typ Mensch, der in der Sauberkeitserziehung hängen geblieben ist und deswegen pedantisch, ordentlich, pünktlich und trotzig daherkommt. Gut, dass das zufällig dem Klischee des Deutschen entspricht. Wenn also Leute mit schwarz-rot-goldenen und schwarz-weiß-roten Fahnen und einer Menge Rassismus im Gepäck losziehen und sich auch sonst ganz und gar deutsch geben, lässt sich natürlich leicht ein Zusammenhang zum freudschen Analcharakter konstruieren.
So weit, so langweilig, hätte nicht ausgerechnet Daddy Freud selbst so eine ganz eigene Vorstellung davon, was helfen könnte: »So wird man keine besondere Ausprägung des ›Analcharakters‹ bei Personen erwarten dürfen, die sich die erogene Eignung der Analzone für das reife Leben bewahrt haben, wie z. B. gewisse Homosexuelle« .
Wow! Wir Perversen kommen ja selten genug gut weg in der Psychoanalyse, aber machen wir kurz das folgende Gedankenexperiment, um die ganze Tragweite zu verstehen: Wäre die rechte Erfolgsgeschichte der letzten zehn Jahre von den Montagsmahnwachen über Pegida bis hin zu Querdenken wirklich auf den Analcharakter zurückzuführen und wäre eine der wenigen Möglichkeiten, dem Analcharakter trotz seines frühkindlichen Ursprungs noch was entgegen zu setzen, die lustvolle Neubelegung des Analbereichs, ja, wie einfach wäre die Niederschlagung der Faschisten! Die Revolution klopft schon ans Hintertürchen und ich stehe auf der Barrikade und schreie meinen Genossen zu: »Man wird nicht als Antifaschist geboren, man wird zum Antifaschisten gefickt!«
Der Beweis, dass die ganze These hinkt, ist leider recht schnell erbracht und hört auf den Namen Jens Spahn. Schade.