Zwischen Anpassung und Repression
Aufgeblättert: »Juden in der DDR« von Anetta Kahane und Martin Jander
Von Bernd Hüttner
In diesem Band werden 16 Personen porträtiert, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in die DDR gingen. Wie z.B. Helmut Eschwege (1913-1992), der einer der ersten war, die in der DDR zum Holocaust forschten und publizierten. Viele von ihnen hatten bereits eine lange Geschichte in der linken und der zionistischen Bewegung, erlebten Verfolgung und Exil und waren im Widerstand aktiv gewesen.
Sie trafen auf eine Ideologie und politische Praxis, die im Kapitalismus die alleinige Ursache für Antisemitismus sah und das Verhalten der Mehrheit der Deutschen während des Nationalsozialismus entschuldigte. Juden und Jüdinnen sind da als Opfer des Nationalsozialismus nicht vorgesehen, sie werden nicht gewürdigt, Entschädigungen gibt es nicht. Der Antisemitismus verschwindet nicht mit dem Kapitalismus und auch nicht durch Beschweigen, so die ernüchternde Erkenntnis.
Im Winter 1952 verließ, so die Herausgeber*innen, nach einer antisemitischen Kampagne der SED die große Mehrheit der Juden und Jüdinnen das Land. Andere aber, wie etwa Eschwege, die Künstlerin Lea Grundig, die Schriftsteller*innen Stefan Heym, Anna Seghers und Stephan Hermlin oder auch Klaus Gysi blieben und kamen (später) in wichtige Positionen. Was die porträtierten Personen erlebten und wie unterschiedlich sie mit ihren Erlebnissen umgingen, ist Gegenstand dieses spannenden und für die Geschichte der Linken wichtigen Buches.
Anetta Kahane/Martin Jander (Hg.): Juden in der DDR. Jüdisch sein zwischen Anpassung, Dissidenz, Illusionen und Repression. Hentrich & Hentrich Verlag, Leipzig 2021. 221 Seiten, 22,90 EUR.