Indigene Wiedergeburt in Kanada
Aufgeblättert: »Rote Haut, weiße Masken« von Glen Sean Coulthard
Von Jamal Iqrith
Es geht gegen die »koloniale Politik der Anerkennung«. Doch was bedeutet das? Das versucht Glen Sean Coulthard an Frantz Fanon anknüpfend zu klären. Er schlägt eine radikale Politik der Anerkennung vor: die »Indigene Wiedergeburt«. Die First Peoples in Kanada sollten sich in ihrem Kampf um Selbstbestimmung nicht durch die Prozesse der »Versöhnung« eben jener kolonialen Politik der Anerkennung der kanadischen Bundesregierung kooptieren lassen. Der Vorteil liegt in den antikapitalistischen Elementen, die der Indigenen Wiedergeburt inhärent seien. Nicht automatisch, aber notwendigerweise würde sich die Wiederbelebung und (Re-)Affirmation bestimmter Indigener Traditionen und Konzepte im Kampf gegen das kanadische Siedlerregime gleichzeitig gegen den kapitalistischen Akkumulationszwang richten – und könnte so gegen die wirtschaftliche Ausbeutung der Indigenen durch den kanadischen Staat in Stellung gebracht werden.
Die abstrakte Argumentation wird nachvollziehbarer durch den empirischen Teil der Analyse, in dem konkrete Kämpfe verschiedener First Peoples reflektiert und beurteilt werden. Nicht nur jenen, die den spezifischen Kontext des Indigenen Widerstands in Kanada kennenlernen möchten, ist das Buch zu empfehlen, sondern auch jenen, die über den Stellenwert sogenannter Identitätspolitik streiten. Es ist ein gelungener Debattenbeitrag, der Affirmation von Identität und materialistische Kritik am Essentialismus zusammen denkt.
Glen Sean Coulthard: Rote Haut, weiße Masken. Gegen die koloniale Politik der Anerkennung. Übersetzt von Michael Schiffmann. Unrast Verlag, Münster 2020. 284 Seiten, 18 EUR.